By Holger Melms
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Mein Standard-Browser, mit dem ich auch meine Seiten teste.
Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
1993
1994
1997
2002
2003
2004
2005
2006
2007
 

Hammerfest (1)

Hammerfest

 

Der Name Hammerfest war für mich - ob es an dem alten Erdkunde-Unterricht liegt? - immer ein eherner Begriff wie London, Paris, Nordpol, Narvik, Haparanda*. Selbstverständlich war klar, dass Hammerfest kleiner als die Metropolen war, aber es war irgendwie eine bedeutsame Stadt. Ich war deshalb sehr erstaunt, einen so kleinen Ortskern anzutreffen. Selbst in dem in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Stadtgebiet gibt es (2006) weder eine Vorfahrtsstraße noch eine Verkehrsampel.

Und wenn man das “Schneewittchen”-Projekt abrechnet, muss man von der Bevölkerungszahl (2006) noch mal rund 3000 abziehen.

*von der sog. Jüngeren Generation, also den Eltern der mp3-Kids, habe ich viele getroffen, die weder von Narvik noch von Haparanda je gehört hatten.

 

 

 

 

 

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2003 nordwärts

 

In den Reiseführern steht: „... wurde von den Deutschen vollständig dem Erdboden gleich gemacht." Das stimmt nicht: die Kirche ließen sie stehen. Außerdem: hier war nicht viel zu sprengen und nieder zu brennen, der bebaubare Platz reicht nur für eine begrenzte Anzahl von Häusern.* Aber im Ernst: wie kam es zu dieser für die Hammerfester sinnlosen Aktion?

Die nach eifrigem Lesen etwas længere Antwort steht jetzt unter NORWEGEN ALLGEMEIN, Unterpunkt BELIEBTE DEUTSCHE.

 

* Nachgetragen: Nach vier weiteren Jahren in Nord-Norwegen erscheint mir dieser sarkastisch gefärbte Satz einer Erklärung zu bedürfen. Er beruhte auf meiner extremen Verblüffung über die Kleinheit dieser “Ansiedlung” Hammerfest. Auf der Basis meines Erdkunde-Unterrichts und den Reiseführer-Superlativen “nördlichste Stadt der Welt”, “erste Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung”, u.a. hatte ich eine Stadt in der ungefähren Größe von mehreren Quadratkilometern erwartet.

### In Wirklichkeit kann Hammerfest bis 1945 nur der “einzige, etwas größere Ort” unter den vielen Kleinstansiedlungen der Finnmark gewesen sein.

Auch heute (2006) gibt es weder eine Vorfahrtsstraße noch eine Verkehrsampel in der “Stadt” Hammerfest.

2007 habe ich dann gelesen, dass das weiter nördlich liegende Honningsvaag mit dem Erhalt des Stadt-Status’ (20###) auf die Nutzung des Attributs “Nördlichste Stadt” zugunsten von Hammerfest verzichte.

 

 

 

Die Discovery aus Hamilton im Hafen von Hammerfest. Einer der durchschnittlich vier Luxuxliner, denen ich hier oben täglich begegne.

Diese Schiffe sind für alle diejenigen eine Alternative zum eigenen Segelboot, die einige Tausend Euro für gut eine Woche Nord-Norwegen ausgeben wollen ;-).
 

 

Hammerfest Innenstadt. Was bei uns die Kanickel sind hier die Rentiere.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Stadtverwaltung dieses Tier unter Vertrag genommen hat, um die vielen angelandeten Touristen zu erfreuen.*

 

Nachgetragen: Die Bemerkung war zwar nicht ernst gemeint, aber in Wirklichkeit kämpft die Stadtverwaltung einen verbissenen Kampf gegen alte Weiderechte der Rentierhalter.

 

Der mittlere Teil von Hammerfest. Der Ort liegt in einem U-förmigen Halb-Kessel, dessen baumlose Hänge mit Lawinenzäunen gespickt sind. Die Stadt hat nicht viel Platz, um sich auszudehnen.

Bis zur Entscheidung für das Erdgas-Projekt (siehe weiter unten) stagnierte die Wirtschaft und die Bautätigkeit.
 

 

Die beiden Ende des „U"s der kesselartigen Bucht von Hammerfest. Im Vordergrund die nach 1945 komplett neu gebaute „Alt"-Stadt, in der oberen Bildmitte das Industriegebiet. Dort wachsen die Wohnhäuser den an dieser Stelle weniger steilen Hang hinauf. Die waagerechte Fläche direkt oberhalb der Wohnhäuser ist der Flugplatz.

Ganz im Hintergrund ein kurzes Stück der riesigen, nahezu unbewohnbaren Insel Söröya. Und darunter, mittelgrau, das gigantische Erdgasterminal Melköya.

 

Hammerfest jenseits der „Alt"-Stadt.

### Blick ...

 

So, mit diesen drei letzten Fotos habt ihr ganz Hammerfest gesehen. Was fehlt, sind die Leute in dieser Stadt, und ihre erstaunliche Musikerkneipe „Redrum" - Wer einen bestimmten Film mit Jack Nicholson gesehen hat, sollte wissen, was der Name bedeutet.

 

 

Redrum

 

Ein Ohrenschmaus am A... der Welt. Für 100 Kronen Eintritt spielen drei lokale(!) Bands mit einem Sänger und zwei Sängerinnen 5 Stunden lang jazzigen Edel-Bigband-Rock! Der einzige Nachteil: die Verstärker sind so laut, als wolle man die Russen oder irgendeinen anderen Feind vertreiben.

Aber das scheint ein generelles Problem zu sein: die Musiker ertragen es, denn das Publikum scheint es zu fordern. In alten Berliner Tagen galt die Regel: Gute Musiker spielen ohne Verstärker, schlechte mit. Diese Musiker hier hatten keine Verstärker nötig. Besonders nicht ...

 

... Ingrid Rebbestad. Sie kann es mit jeder guten Jazz-Sängerin aufnehmen. Und glaubt mir, mein Urteil ist nicht durch die Netzstrümpfe beeinflusst. Ein für mich untrügliches Zeichen ist die Band: spielt sie doppelt so gut wie ohne Sängerin, ist diese exzellent. (Es gab mal eine englische Sekretärin namens Berryl Bryden. Sang sie mit einer Schülerband, glaubte man eine Profiband zu hören.)

 

 

 

So, nun bin ich auch in der Zeitung. Allerdings nicht als Segler sondern als Musikexperte vom „Die Stern“. Den Artikel in der lokalen Zeitung (Titel, Datum!!!!!) fand ich nur, weil ich mit dem Nachtportier des Hammerfest Hotels ins Klönen kam.

Übersetzt heißt der holperige Text etwa: "Wer glaubt dass Bigbandmusik traditionell und typisch ist? (Gemeint scheint wohl zu sein: altmodisch) Nicht mehr, nachdem er einen Abend mit einer Bigband erlebt hat, die internationales Niveau erreicht. In jedem Fall brachte ein zufällig im „Redrum“ anwesender deutlich überraschter Musikreporter vom deutschen „Die Stern“ dies zum Ausdruck. - Wie auf höchstem Qualitätsniveau auf dem Jazzfestival in Molde zuzuhören, meinte der deutsche Journalist."

Meine Begeisterung war echt, aber mit dem Autor habe ich kein Wort gesprochen, wohl aber mit dem quirligen Fernsehjournalisten (oder auch nicht echt?) Jan Egil Aune, der ebenfalls als Sänger auftrat und mich mit Ingrid Rebbestad bekannt machte.

### Die „Verfälschungen“ in Bezug auf meine Person als Musikjournalist sind harmlos und tun niemandem weh, entsprechen aber allen Vorurteilen gegenüber der Presse. Geschrieben wird wohl immer eine gezielt tendentielle Mischung aus Dichtung und Wahrheit, hier mit dem Ziel, die Band und das Lokal zu loben. Deutlich überrascht war ich tatsächlich, und Molde habe ich auch erwähnt. Ich sagte auch, dass ich einige Songs für hervorragend hielt und dass das die Band mitreißende Singen (Stimme und Auftreten) von Ingrid Rebbestad deutlich besser war als alles, das ich - außerhalb der Jazztage(!) - in Molde gehört habe. Der Rest ist erfunden.

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Und zum Schluss: das Projekt Melköya

 

Und zum Schluss: das Projekt Melköya*. Die Fakten aus einem Bankprojekt: Vollständig ferngesteuerte Erdgasförderung 140 km vor der Küste, d.h. kein Bohrturm oder Schiff. Anlagen nur auf dem Meeresgrund und zwar derart, das sie das Fischen mit Grundnetzen nicht behindern!

Das Gas wird durch eine 160 km lange und 250 bis 345 m tief auf dem Meeresgrund liegende Mehrkammerleitung an Land (d.h. in die Aufbereitungsanlage auf der kleinen Insel Melköya 300 m vor Hammerfest) gefördert. Das im Gas enthaltene CO2 wird extrahiert und zurück unter den Meeresboden geleitet.

Förderzeitraum 2006 bis ca. 2030. Investition 45 Milliarden Kronen (5,6 Milliarden Euro). Brutto-Einnahmen 200 Milliarden Kronen. (STATOIL-Aktien kaufen?) Das aufbereitete Gas wird ca. wöchentlich mit speziellen Gastankschiffen zu den Abnehmern - selbstverständlich USA; auch Deutschland? - gefahren. Bis zur Fertigstellung arbeiten 1400 Mann in Hammerfest, deren rund 3000 männliche Bewohner - einschließlich Säuglingen und Greisen - sich unliebsamer Konkurrenz erwehren müssen. Während der Betriebsphase soll das Projekt 300 bis 400 Arbeitsplätze schaffen, von denen 175 auf Melköya entstehen sollen. Für Hammerfest sicher ein dicker Brocken.

*) Das Foto musste ich mir aus dem Internet besorgen. Die Silhuette der Insel wirkte aus der Ferne wie eine neue Weltkriegs-II-Festung, sah aber auf meinen im Vorbeisegeln gemachten Fotos nach nichts aus. Der Standort des Fotografen dieser Aufnahme ist identisch mit meinem, als ich das Foto “Die beiden Enden des “U” aufnahm. Auch auf meinem Foto ist Melköya zu sehen, allerdings nur mit einer Lupe. Der Unterschied: ich verwende für alle Aufnahmen ein Normalobjektiv, der Fotograf dieses Bildes hatte mindestens ein 300 mm Teleobjektiv.

Zum Inhalt dieses Fotos: Vorder- und Mittelgrund sind die beiden Enden des “U”s von Hammerfest. Nur dort, wo die Baukräne stehen, ist ein Teil der Insel Melköya zu sehen. Das Flugzeug setzt zur Landung auf dem kleinen Flughafen direkt oberhalb der Stadt an.

 

http://www.mamut.com/homepages/Norway/1/9/meridianfoto/newsdet356.htm

 

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2003 südwärts

 

In der vollkommen irrigen Annahme, ein Jazzabend wie der oben beschriebene sei etwas - zumindest annähernd - Wiederholbares in Hammerfest, erlebe ich ein absolutes Tristessa-Wochenende. Maßlos enttäuscht verlasse ich “die nördlichste Stadt der Welt”.*

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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