By Holger Melms
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Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
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1994
1997
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Å,å = Aa,aa    ø=ö

Zum “Edgar Allan Poe Rorbu”

 


Vaeröy / Rorbu auf Tjeldholmen / 2003: Durch den Malstrom
 

Struktur ok, Karte, Fotos und Text noch überarbeiten

 


Übersichtskarte Lofoten und angrenzende Gebiete
(Die roten Linien sind Straßen und Fährlinien.)
 

 

1997

 

 

 

 

Fahrt durch den Malstrom (wir sind hier im Buholmflaget) bei Windstille in Richtung Nordwesten. An Steuerbord Svarvene, dahinter Lofotodden. Aus dem Kabbelwasser springen “Regen”-Tropfen, und ab und zu fahren wir durch große, spiegelglatte, langsam rotierende Linsen aus Wasser. (Wir sind hier zum berechneten Zeitpunkt des minimalen Gezeitenstroms.)

 

 

 

 

 

 

 

2003

 

Über den Malstrom existieren viele Schilderungen. Die des Edgar Allen Poe kenne ich am Besten. Die kurze Erzählung entstand vor über 160 Jahren und enthält Ortsangaben, die sich heute noch in den Seekarten finden:

“Die Insel dort draußen”, nahm der alte Mann das Gespräch wieder auf, “heißt bei uns Norwegern Väreöy [Väröy], die andere in der Mitte Moskoe [Mosköy]. Die etwa eine Meile nördlich ist Ambaaren [Nicht gefunden]. Dahinter liegen Islesen, Hotholm, Keildhelm, Suarven [Iflesa, Högholmen und Tjeldholmen (auch Kjeldholmen geschrieben) bilden die Inselgruppe Svarvene] und Buckholm [Buholmene, eine weitere Inselgruppe, liegt in der Nähe], noch weiter zwischen Moskoe und Väreöy hindurch Otterholmen [Aurholmen?], Flimen [Flima], Sandflesen [Flesa?] und Stockholm [nicht gefunden]. So sind ihre Namen -.”

Der Inhalt ist sehr technisch geschrieben:

Der erzählende Fischer ist mit seinem Gast auf die einige Hundert Meter hohe Südspitze des von mir so genannten Lofot-Festlandes - Lofotodden - gestiegen, um von dort einen weiten Blick nach Süden über den Malstrom zu bekommen. Er berichtet, dass er vor Kurzem  mit seinem Bruder auf der Rückkehr von schwierigen aber ergiebigen Fischgründen - “Bei wirbelnder See ist an geeigneten Stellen gut fischen, wenn man nur den Mut hat, es zu versuchen ...”- beim Überqueren des Malstroms in einen Sturm geraten sei, der die sonst beherrschbaren Wirbel in große, tiefe Trichter verwandelte, die bis auf den Boden reichten. Ihr großes Boot sei an der Trichterwand rotierend langsam in die Tiefe gesunken. Dabei habe er beobachtet, dass  kleinere Gegenstände, die sich ebenfalls im Trichter befanden, langsamer sanken als ihr großes Boot. Deshalb habe er sich mit der Tonne, an die er sich gebunden hatte, über Bord in den tosenden Trichter gestürzt. Sein Bruder, der sich am  Mast festgebunden hatte, weigerte sich, das Gleiche zu tun. So musste er mit ansehen, wie sein Bruder zusammen mit dem schnell sinkenden Boot am Grunde des Trichters zerschellte. Da der Malstrom ein Gezeiten-Strom ist, füllte sich der Trichter langsam, bevor er mit seiner Tonne ebenfalls am Grund zerschellte. Der Erzähler wurde später mit seiner Tonne von anderen Fischern gesichtet und gerettet.

Die Geschichte enthält neben einigen Grusel-Attributen, Mondschein mitten im Polarsommer (der Unfall ereignet sich am 18. Juli 18..) und pseudo-physikalischen Erklärungen eine Menge, die ich ohne Weiteres als zutreffend bezeichnen würde. Es gibt z.B. eine Stelle im Malstrom (Herjeskallen), die nur neun Meter tief ist und bei der  ein Wirbel im Sturm und einem extremen Tidenhub (bis zu vier Meter) bis auf den Grund reichen mag. (Der Berufsschiffahrt wird heute noch empfohlen, bei Herbst- und Winterstürmen auf die Fahrt durch diese Meeresenge zu verzichten.)

In den Hunderten von Jahren, in denen jährlich Tausende in kleinen Ruderbooten bei den Lofoten fischten, ertranken regelmäßig Dutzende, wenn nicht Hunderte von Fischern in Stürmen. (Nachzulesen an den Gedenksteinen in vielen Fischerorten.) Der eine oder andere mag tatsächlich eine Kenterung in dem kalten Wasser überlebt und vom Gesehenen berichtet haben.

Wer meine Kurzform nicht mag, findet die ganze Erzählung u.a. bei: Reclam, ISBN 3-15-007626-9. Titel: Edgar Allen Poe - Im Wirbel des Maelström u.a. Hat mal 4 Mark gekostet.

Auf eine andere Art der Gefahr von Wirbeln hat uns ein Fischer am Saltstraumen aufmerksam gemacht. Siehe ##Bodö###.

 

Diese Inselgruppe liegt so ziemlich in der Mitte des Malstroms. Unter dem ”d” des Names “Kjeldhl” erkennt man ein kleines weißes Quadrat mit einem schwarzen Rand. Das ist in den norwegischen Seekarten das Zeichen für ein Haus oder Gehöft. Mit einer Lupe erkennt man oberhalb des “d” einen Anker, das Symbol für einen Ankerplatz.

Die eingetragene lila Linie bezeichnet eine “mögliche” Route. “Empfohlen” gilt sicher nur für Bootsführer, die mit der Gegend vertraut sind oder zum Ankerplatz vor Kjeldholmen wollen.

Der Ausschnitt stammt aus einer nur sehr begrenzt brauchbaren digitalen Garmin Seekarte vom März 2003.

 

 

 

Nur ein schlechtes Foto? Oder ein Augentest? Ohne die Geschichte dazu wirklich nur ein schlechtes Foto: In der Mitte des Malstroms liegt eine Gruppe von Inseln, Schären und Untiefen (Svarvene), und auf einer der Inseln (Tjeldholmen) steht laut Seekarte - siehe oben - ein Haus. Und vor diesem Haus ist ein Ankerplatz eingezeichnet. Und zu beidem führt ein Fahrwasser. Sollte hier jemand gewohnt haben?

Das wärre selbst für norwegische Verhältnisse außergewöhnlich, also zu ergründen. Die Gegend ist mir von 1997 bekannt. Um sicher zu gehen, warte ich ruhiges Wetter und einen nach “innen” setzenden Gezeitenstrom ab.

Und tatsächlich: es steht eine - nicht verfallene - grasgedeckte Holzhütte dicht an die steile Felswand gedrängt. Und man könnte dort ankern. Die Erklärung scheint zu sein: Es ist eine Schutzhütte aus „alten Zeiten" für Fischer, die von schlechtem Wetter überrascht wurden. (Ich habe keinen Einheimischen getroffen, der diese Hütte schon mal sah - also doch ein „gutes" Foto. Leider fehlte mir ein Tele-Objektiv.)

 

Wahrscheinlich deutet die Schutzhütte in die berühmte Vergangenheit der Lofotfischer. Denn je unruhiger das Wasser desto schneller ließen sich große Mengen Fisch fangen. Das wird auch bei Edgar Allen Poe als der Grund angeführt, warum die beiden Brüder immer wieder den Malstrom durchquerten.

 

 

 

Blick vom Ankerplatz vor der Hütte von Tjeldholmen nach SW. Im Hintergrund die knapp zwei Seemeilen entfernte unbewohnbare Insel Mosken.

Der nächste Hafen in SW-licher Richtung (Teisthammeren) ist über sechs Seemeilen und in NE-licher Richtung über sieben Seemeilen (Å i Lofoten) entfernt. So dumm ist die Idee mit der Schutzhütte nicht.

Die dunkelgrauen Felsen im Mittelgrund gehören zu Tjeldholmen/Svarnene.

 

 

 

Blick vom Ankerplatz vor Tjeldholmen nach NE. In der Bildmitte die knapp drei Seemeilen entfernte Südkante des „Lofoten-Festlands" *), genannt Lofotodden.

Die niedrigen schwarzen Inseln am rechten Bildrand gehören zu Svarvene.

Ich habe nicht geankert sondern meine Kreise in dem extrem klaren und an dieser Stelle ruhigen Wasser gedreht - die Strömung hätte zunehmen können. Die enge Einfahrt von SW durch kräftige Strömung war schon nicht von Pappe.

*) Lofoten-Festland: eigentlich bestehen die Lofoten aus einer Kette zunächst großer dann immer kleinerer Inseln. Die großen dicht beieinander liegenden nördlichen Inseln sind heute mit Brücken und Tunneln verbunden und damit „Festland", was man sofort anhand der Unmengen von Auto-Touristen verifizieren kann.

 

 

 

Das ist der Malstrom (norwegisch Malströmmen) bei Windstille und „relativem" Stillwasser, denn im Moskenstraumen, so heißt der knapp 3 sm breite Malstrom offiziell, gibt es kein Stillwasser.

Von den acht im „Norwegischen Lotsen" Band 5 abgebildeten Phasen haben alle kräftige Strömung, drei sind frei von Stromwirbeln. Von diesen habe ich mir die „harmloseste" Phase - eine Stunde nach Niedrigwasser - ausgesucht.

Laut „Lotse" gilt für den Moskenstraumen beides: gefährlich und harmlos, je nach Wetterlage. (Mein Kurs führt quer zum Malstrom. Im Hintergrund die Inselgruppe Svarvene.) Sogenannte Kehrwasser bewirken den scheinbaren Widerspruch, dass es kein Stillwasser gibt.

 

 

 

 

 

 

 

2005

 


Wer Edgar Allan Poe und seine Kurzgeschichte “Der Malstrom” nicht kennt, kann hier aufhören zu lesen. Denn ohne Kenntnis dieser schauerlich-schönen - und wahrscheinlich zutreffenden - Geschichte ist das Folgende nur kalter Kaffee.

Wer es genau wissen will, findet hier den Originaltext in Englisch und eine deutsche Übersetzung. (Eine norwegische Fassung habe ich nicht gefunden. Vielleicht kennt deshalb kein Norweger diese amerikanische Geschichte.) 

 


Aber bei der Wetterlage, die Edgar Allans Erzählung zu Grunde liegt, fährt hier niemand entlang, nicht einmal Frachter. Wer es nicht glaubt, kann im DNL ... ... nachlesen.

Der etwa 3 Seemeilen breite Malstrom liegt nördlich von Varöy, die Entfernung dorthin beträgt rund 8 Seemeilen. Auf dem Weg dorthin passiert man die unbewohnbare Insel Mosken. Mitten in der “Durchfahrt” zwischen der  Insel Mosken und dem Südzipfel des Insel Moskenesöy im Norden liegt eine kleine Gruppe von Inselchen. Auf einer etwas größeren Insel steht eine Hütte, an der ein enges, gewundenes Fahrwasser vorbei führt. Und vor der Hütte kann man auf 6 Meter tiefem Wasser ankern. Dass das alles zutrifft, wusste ich schon seit 2003, als ich hier entlang fuhr. Siehe 2003/Lofoten/Malstrom. Zum Ankern und an Land gehen hatte ich nicht den Mut. Und war auch nicht darauf vorbereitet. Das wollte ich jetzt nachholen.
 

 

 

Die Wetterlage (mehrere Tage kein Starkwind und jetzt Windstille) war bestmöglich und die Zeit war so gewählt, dass ich kurz vor Niedrigwasser dort eintraf. Dazu kam dieses herrliche Sommerwetter.

(Welche Zeit am besten geeignet ist, steht ebenfalls im DNL. Die Tidenzeit “1,5 Stunden vor Hochwasser” wie abgebildet wollte ich auch bei ruhigem Wetter vermeiden.)

 

Mittlerweile werden die zahlungskräftigen Touristen, auf Rafting-Power-Booten fest angeschnallt, hier entlang gefahren. Ähnlich wie durch den Saltstraumen bei Bodö, wenn es gurgelt. Als ich voller Respekt (Tiefgang 1,8 m) an den Gefahrenstellen vorbei steuerte, raste ein solches Gefährt - ohne nennenswerten Tiefgang - in gerader Linie über alle Untiefen hinweg in Richtung Norden.
 

 



Ankunft in der Inselgruppe Svarvene mit der “Hauptinsel” Tjeldholmen:
(Die Insel in der Bildmitte ist Högholmen. Von Tjeldholmen (linker Bildrand) ist nur ein Zipfel zu sehen. Die Berge im Hintergrund - im Norden - sind die Südflanke der Insel Moskenesöy. Der im DNL im Detail beschriebene Malstrom liegt dazwischen.)

 

2. Juli 2005 15:25 Einfahrt Svarvene  [Canon G5]

 



Geschafft: PHINE liegt vor Anker (plus Landleine) und ich bin an Land auf Tjeldholmen:
(Gegenüber: Högholmen)

 

2. Juli 2005 15:53 Vor Anker Tjeldholmen  [Canon G5]

 



Dort oben liegt sie. Ich bin aber noch nicht richtig an Land, sondern klettere über ein Geröllfeld aus Riesen-Steinkugeln zu ihr hin:

 

2. Juli 2005 15:53 Rorbu Tjeldholmen  [Canon G5]

 

 

Immerhin: die Fenster sind noch nicht eingeschlagen, das Dach scheint noch dicht zu sein und die Tür steht nicht offen:

 

2. Juli 2005 15:56 Rorbu von außen  [Canon G5]

 

 

Wer im Sturm hier festsitzen sollte, findet zwar keinen Herd und wärmenden Ofen mehr (der liegt draußen als Müll), aber er hat noch ein Dach über dem Kopf:

 

2. Juli 2005 15:59  Rorbu innen  [Canon G5]

 

 

Und er kann sich an der Hoffnung wärmen, dass irgendwer irgendwann die Absicht hatte, diese Hütte zu “renovieren”:

 

2. Juli 2005 16:03  Rorbu innen Ausbau? [Canon G5]

 

 

Den Kaffee wird er selbst mitbringen müssen, die Tassen sind dagegen noch benutzbar:

 

2. Juli 2005 16:01  Rorbu / Kaffee  [Canon G5]

 

 

Die Erdbeermarmelade und die Streichhölzer dürften auch nur noch dekorativen Zwecken dienen:

 

2. Juli 2005 16:02  Rorbu / Teller  [Canon G5]

 

 

Weil man es hier so gut erkennt, eine Anmerkung zu den grünen Dächern. Die waren hier (und vor Verfügbarkeit von Dachpappe und Dämmwolle) nicht ”umweltbewusst” sondern ein Notbehelf. Das einzige Material zum Abdichten von Dächern war Birkenrinde - die beste kam aus Russland. Um sie flach zu drücken und nicht mit Nägeln zu durchlöchern, schichtete man Erde oder Torf darauf. Durch einen Balken wurde die nebenbei noch isolierende Deckschicht am Abrutschen gehindert:

 

2. Juli 2005 16:07  Rorbu  Dach  [Canon G5]

 

 

Wozu braucht man noch einen Schornstein, wenn das Mobiltelefon höchste Empfangsstärke bekommt?

 

2. Juli 2005 16:11  Rorbu / Kaminseite  [Canon G5]

 

 

Erbaut 1950 (oder 1956?). Da haben noch nicht einmal die Spinner von Mobiltelefonen geträumt:

 

2. Juli 2005 16:19  Rorbu / 1950/6?  [Canon G5]

 

 

Und wo saß nun Edgar Allan Poes ergrauter, dem Malstrom entkommene Fischer, der seinen Kampf gegen die tödlichen Wirbel einem Fremden erzählt? Auf einer der links liegenden Bergspitzen (dem Hellseggen) im Hintergrund:
(An dessen Fuß lag das blühende Fischerdorf Hell. Seine Bewohner wurden 1950 in weniger abgelegene Orte umgesiedelt.)

 

2. Juli 2005 16:26  Rorbu / Lofotodden  [Canon G5]

 

 

Ein Blick in die Gegenrichtung (nach Süden) -
die Bergspitzen der nie bewohnten Insel Mosken:

 

2. Juli 2005 16:15 Rorbu / Mosken  [Canon G5]

 

 

Es wird Zeit zu gehen. Die Tide wartet nicht. Und das Geröllfeld muss sehr vorsichtig überklettert werden, um sich nicht noch einen Knöchel zu brechen:

 

2. Juli 2005 15:57 PHINE Högholmen  [Canon G5]

 

 

An Mosken vorbei geht es zurück nach Værøy und ohne Stopp weiter bis Röst:

 

2. Juli 2005 18:07 Mosken  [Canon G5]

 

 

Damit wäre geklärt, was das Symbol einer Bebauung auf Tjeldholmen auf der Seekarte bedeutet. Nicht geklärt ist damit, zu welchem genauen Zweck die Hütte errichtet wurde und wer sie wofür benutzte. Denn dass sich jemand im Sturm durch die Untiefen, die die Inselgruppe garnieren, bis zum Ankerplatz durchschlagen kann, halte ich für unmöglich. Möglich wäre es, sich vor einem heraufziehenden Sturm hierhin zu retten. Um das zu erfahren, müsste man mal einen (sehr) alten Fischer fragen.

Im DNL Band 5 von 1998, Seite 234, steht lapidar:
“På Tjeldholmen, N av Mosken, rorbu hvor lokalkjente kan ta seg inn. På Mosken er det ingen bebyggelse.”
Also: “Nördlich von Mosken steht auf Tjeldholmen eine Hütte zur Benutzung durch Ortskundige. Auf Mosken gibt es keine Bebauung.”

Ich habe in der Gegend niemand getroffen, der die Hütte und/oder die Kurzgeschichte von Poe kennt oder von ihnen gehört hat. Diese Hütte ist also nur für mich ein “Edgar Allan Poe Rorbu”. (Bis es die Tourismus-Industrie entdeckt und man dort für 500 Euro ein Event buchen kann - pro Person, versteht sich.)

 


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15.11.2008

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