© Holger Melms
2003-2005

Herbst- oder schon Winter-Wanderungen?H

Durch viele Verzögerungen bin ich dieses Jahr bis in den späten Herbst in Norwegen. Angeregt durch ein Foto von Björnar, der offensichtlich mal eben so auf die umliegenden Berge (500 bis 1000 Meter) spaziert, um zu fotografieren, wollte ich es ihm - zumindest in niedrigeren Höhen - nachmachen. Mein Problem war nur, dass ich keinen seiner “leichten Wanderwege” fand.

Ende Oktober erlebte ich einige Sturmnächte, Kälte bis minus 8°C, danach dicken Schnee und anschließend Sommertemperaturen bis 15°C. Aber immer gute Sicht und oft Sonne. Und unter diesen Bedingungen fand ich dann auch einige der “Wanderwege”.

Am 4. November nahm mich Björnar mit auf eine fünfstündige Wandertour auf das 576 m hohe Skaanlandfjell. Die Fotos von dieser späten Herbstwanderung stehen am Ende dieses Kapitels.

 

“Leichte” Wanderungen in Nordnorwegen

Am besten ihr vergleicht diesen  Birkenstamm mit einem aus der Lüneburger Heide, dann wisst ihr, was man hier unter “leichter Wanderung” versteht.

Weder ein untrainierter Opa noch eine Wandererin mit hohen Absätzen kommen hier weiter als 50 m.

Es gibt Hunderte solcher Parkbuchten neben der Landstrasse. Meist gehören sie zu privaten Ferienhäusern.

Manchmal sind sie aber der Beginn eines kaum erkennbaren Trampelpfades, der aber so gut wie nie die Verlängerung der Autospur ist. (Hier zum Svart- oder Nordvatnet und zum Skaanlandfjell).

Die meisten hiesigen Wanderer haben Lokalkenntnisse aus ihrer Kindheit oder von Besuchen bei Verwandten.

Erst eine im Laptop vergrößerte Detailkarte mit Höhenlinien, die sogar den Unterschied zwischen Wohnhaus und Kleinbauernhof zeigt, machte mich einigermaßen unabhängig von mündlichen Beschreibungen.

Glücklicherweise ist die Karte rund 20 Jahre alt. Sie enthält noch Hinweise auf Wege, die heute überwuchert oder durch abgestellte Autos unkenntlich sind.

 

Nun also meine 3 Regeln: stets wasserdichtes und trittsicheres Schuhwerk tragen, da man nicht mal im Hochsommer vermeiden kann, durch kleine Moore zu waten oder glitschige Steilhänge passieren muss. (Für Norweger sind sogar einige “Wanderungen” über Gletscherpartien “familienfreundlich”.)

Stets nach Hinweisen fragen und diese durch den “Lokalkenntnisfaktor” dividieren: ein Hinweis wie “kurz vor der Gemeindegrenze” oder “hinter der alten Schule” kann ausgiebiges Suchen bedeuten.

Immer eine Karte mit Höhenlinien mitnehmen. Meine naive Hoffnung, irgendwo wird schon ein Hinweisschild wie “Wilseder Berg 3 km” zu finden sein, wurde nie erfüllt. (Jedenfalls nicht hier.)

Vielleicht erinnert sich Hartwig noch, wie Gudrun eine “leichte Wanderung” auf den Lofoten verflucht hat.

 


So vorbereitet und präpariert habe ich mich auf die umliegenden Hügel von Nygaardsjöen begeben, um diesen Ort zu beschreiben / bebildern / befotografieren. Es war meine erste selbst gestellte “Auftragsarbeit”. Bisher kam erst das Foto eines interessanten Motivs, dazu eine kurze, meist nachträgliche Beschreibung. Hier war das Motiv vorgegeben, und ich musste sehen, wie ich ein paar akzeptable Fotos hinbekam. Auf jeden Fall habe ich mein “Fahrtgebiet” um viele Höhenmeter erweitert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nygårdsjøen

Der langweilige Name ist leider für einen ganzen neuen Ort verbindlich geworden, der sich über 6 km Länge an einem breiten Uferbereich des Nordfjords (noch so ein Allerweltsname) bildet. “Nygård” bedeutet soviel wie “der neue Bauerhof/das neue Dorf” und “Sjöen” so viel wie “am Meer/am Ufer”. Viel spezifischere Namen wie “Ertenvåg”, “Åkran” und “Saura” werden damit wohl in Vergessenheit geraten.

Je nach Naturgegebenheiten trugen einzelne Gehöfte oder eine kleine Gruppe von ihnen einen eigenen Namen. Eine dieser Gruppen hieß “Nygaard”. Und just unterhalb dieses Ortes lag die einzige Stelle des Ufers, an der man einen Tiefwasserkai für die Verbindungsschiffe nach Bodö bauen konnte. Dieser Anleger hieß logischerweise Nygaardsjöen, und ebenso logisch entstand dort ein Landhandel und die Poststation, über die die Kommunikation des gesamten Küstenstreifens lief.

Als man einen Namen für das gesamte Gebiet suchte, wählte man eben diesen. (Zufällig liegt Nygaard auch etwa in der Mitte des Gebietes.)   

 


 

Ich werde jetz mal versuchen, das Gebiet von Nord nach Süd zu befotografieren.

 

Wer an einem wolkenlosen Herbsttag auf der RV 17 die Gemeindegrenze zwischen Bodö und Gildeskaal - also in Richtung Süden - überfahren hat, sieht nach kurzer Talfahrt rechts unten die verstreuten Häuser von Ertenvaag.

Im Hintergrund der Nordfjord und die Insel Sandhornöya mit dem Sandhorn (993 m).
  

Schnell mal ein Exkurs zum Thema Pixel und Internet und “Deine Fotos sind besser geworden”: Müssten wir uns nicht mit sog. Breitbandleitungen und 680x510 (letztes Jahr 400x300 für normale Telefonleitungen) -Pixel Bildchen abfinden, würdet ihr aus meiner aktuellen leicht gehobenen Preisklasse-Kamera diese Details sehen können ... ... Na, wo steht der Wohnwagen? 

 

Durch das Verkleinern meiner Fotos gewinnen diese an Schärfe. Das liegt allerdings mehr an der mittelmäßigen Linse und dem recht kleinen Aufnahmechip meiner jetzigen Kamera (Canon G5).


Nach dem Exkurs noch was für Olav - eine Karte. Ich stehe bei der Wochenend-Hütte (schwarzes Quadrat am rechten Bildrand) und bekomme einen Teil des Ortes zu sehen. (Die blauen Quadrate sind die Kleinbauernhöfe (gård), die kleinen weißen Quadrate sind einfache Wohnhäuser. Die schwarzen Dreiecke Bootsschuppen und Ähnliches. Wie gesagt: mit dieser Karte, im Laptop um das Fünffache vergrößert, schaffe ich es endlich, das Gelände zu erkunden.

 

 


Von Ertenvaag hätte ich gern eine Luftaufnahme. (Die vorhergehende und die folgende Aufnahme erforderten eine mittlere Kletterei und zeigen immer noch nicht, was ich vor Ort “menschlich” sehe.) Mit seinen 12 Kleinbauernhöfen in dem sanft ansteigenden, recht geräumigen Tal erinnert es entfernt an ein deutsches Dorf.

 

Ertenvaag von einem anderen Standpunkt an einem anderen Tag aufgenommen: der Hügel links ist der Vardshaugen (75 m).

 

Im Hintergrund die rund 40 km entfernte Insel Landegode (“Landeguh” gesprochen).

Der hintere Klotz rechts ist das Skaanlandfjellet.
 


Auf Ertenvaag folgen Aakran, Holmen und Tobrestad, Orte oder Höfe von exquisiter Kleinheit. Sie liegen alle in direkter Umgebung des Hafens.

Um sie zu finden, muss man an der Tankstelle von der RV 17 rechts abfahren.

Der Hafen wurde erst spät (1980?) ausgebaggerten und mit zwei Molen geschützt.

Es ist kein steriler Lustboothafen; hier wird noch gearbeitet.

Ohne viel Gezeter werden 9 Bullen an Land (genauer: auf einen Lkw) gehoben, die mit dem 90 Jahre alten Fischerboot SVERRE IV von der nahe gelegenen Farm Skaanland geholt wurden, zu der auf Betreiben des Besitzers keine Straße führt.

Das Schiff gehörte 30 Jahre lang Björnars Vater. Mit ihm fuhren sie zur Lofotfischerei nach Röst.

Jetzt folgt ein kurzes Stück Ångermanälv: in diesem über 150 km langen fruchtbaren nordschwedischen Tal stehen alle Gehöfte am extremen rechten und linken Talrand auf Felsgrund, um ja keinen Quadratmeter nutzbaren Weidelands zu verlieren. Ein Anblick, den man sich merkt. Das hiesige Äquivalent ist nicht mal einen Kilometer lang.

 

Nygaard: Ein erfrischendes Stück  Land für einen Norddeutschen: eine “große”, ebene Wiese, die sich allerdings ein knappes Dutzend Kleinbauern teilten, die am “Wiesenrand” ihre Häuser bauten. Einer von ihnen kam allerdings zu Reichtum und baute 1918 den Landhandel am Anleger.

Der Berg im Hintergrund ist der Telnestind (656 m).

(Am linken Bildrand ein florierender Landhandel (COOP mit Post), am rechten Bildrand der Hafen.)
 


Jenseits einer kleinen Hügelkette folgt ein malerisches Tal mit einem kleinen Bach, dem Saurdelv. An den Hängen eine ländliche Idylle.

 

Ein dösendes Pony auf einem der wenigen noch existierenden Bauernhöfe.

Im Hintergrund der Öyjordtind (5xx m). Der Name - “Öy” ein Dialektwort für “öde” - deutet auf brachliegendes Land an seinem Fuß.

Dieser Name könnte auch den Namen Nygaard erklären.

Diese Aufnahme wurde von keinem Hügel sondern von der Dorfstraße aus gemacht.


Zurück auf die Hügel! (Auf dem folgenden Foto stünde das Pferdchen genau in der Bildmitte.)

 

Ein Blick von einem namenlosen 101 m Hügel über den Ortsteil Saura und Sauraneset (hinten rechts) zum schneebedeckten Sandhorn.

Mit guten Augen und einem guten Bildschirm erkennt man die 1886 gebaute Kirche von Saura.

Die recht spärliche Bebauung resultiert aus den vielen (flachen) Moorgebieten, die auf dem Foto nur schlecht von den wenigen (flachen) Weideflächen zu unterscheiden sind.

 

Der Kern von Saura mit der etwas abseits gelegenen Kirche. Die deutlich sichtbare Straße verläuft senkrecht zur Straße, die das ganze Gebiet von Nord nach Süd in sanften Schwüngen durchzieht.

Diese Aufnahme wurde von dem 197 m hohen Klempihatten gemacht.
 


Ein Stück weiter im Süden liegt die Skaalsvik, was ich laienhaft als schalenförmige Bucht übersetzen würde. Hier residiert der letzte (oder vorletzte?) “Vollerwerbs”-Bauer von Nygaardsjöen..

 

Diese Aufnahme erfolgte vom gleichen Standort wie die vorige, also notgedrungen gegen die an diesem Tag kräftig strahlende Sonne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der letzte “Ortsteil” ist eine Art Wurmfortsatz. Danach beendet der Kjellingstraumen das zusammenhängende Stück Land, das jetzt den Namen Nygaardsjöen trägt.

 

Innervik - das vielfach kleinere Gegenstück zu Ertenvaag: diese meist schattige Kuhle bot zwei Familien eine Lebensgrundlage.

Man konnte aber in 15 Minuten die Nachbarn in Skaalsvik bequem zu Fuß erreichen. Auf dem alten Weg verläuft heute die RV 17.

Als das Foto “aus der Kamera kam”, dachte ich an die Blaue Stunde. Die Farben sind nicht bearbeitet. Abends um Fünf nach einem Sturmtag. 1/5 sec. bei Blende 2,2 - also schon ziemlich duster.
 

 

 

 

 


Nach oben

 

Wanderung im November auf das Skånlandsfjell


Der 30 cm breite “Wanderweg” ist tatsächlich gut zu erkennen, hat man erstmal seinen Anfang gefunden und die Abzweigung vom “Weg” zum Svartvatnet nicht verpasst. Dann führt er durch malerische Täler bis zur Baumgrenze. Ab da kann man die 571 m hohe Bergspitze wie über freies Feld ansteuern.

Im Tal sind wir bei warmem, windstillem Wetter gestartet. Oben blies ein eiskalter Ostwind. 


 

Hier oben hatte ich endlich die Übersicht, die ich mir wünschte.
 

 

Blick vom Skaanlandfjell nach SSW, also gegen die Sonne, auf Nygårdsjøen.

Im Mittelgrund, jenseits des Wassers, ein Teil der Sandhorninsel. Am Horizont die vergletscherten Berge, über die die Grenze zwischen Gildeskaal und Melöy verläuft.

Der Hafen, die RV 17, das große Moor von Saura, Rösnes, die alte Schule von Kjöpstad, der abrutschende Hang von Nord-Sandnes, alles gut zu erkennen - na gut, für den der weiß, wo was liegt.


Das war das Pflichtfoto, das ein besseres Licht verdient hätte. Unerwartet gab es dafür einige besser ausgeleuchtete Aufnahmen.

 

Blick nach Süden, also nicht direkt gegen die Sonne fotografiert.

Diese Zacken kennt ihr schon: die “kleinen Zähne” (Smaatinden) und der Memaurtinden (1332 m, links).

Blick nach Südost in die Nachbargemeinde Beiarn. Die Landschaft wirkt hier wie eine riesige Schüssel.

Der breite Berg in der Bildmitte heißt Pallrakken, 916 m.

Diese Gemeinde ist eine wahrlich abgelegene Gegend. Sie ist weder über eine(!) neue Bergstraße noch über den leicht zufrierenden Fjord bequem, und über den riesigen Svartisen-Gletscher so gut wie gar nicht zu erreichen.

Blick nach Osten über das Valnesvatnet in das Falkflåg-Tal, das nach Misvaer führt.

Das Gebiet gehört schon zur Groß-Gemeinde Bodö.

Blick nach Norden über den Antennenwald (der Nato?) von Seines nach Bodö. Der gezackte Klotz ist die Insel Landegode. Dahinter, etwa 100 km entfernt, die Lofotwand (Lofotveggen, Gebiet Stamsund / Henningsvaer).


Und dann, für mich vollkommen überrschend, ein Blick nach Westen. Dorthin fuhr Björnar als 16-Jähriger mit seinem Vater zum Fischen und kennt dort jeden Stein. Ich kenne dort nur jeden zehnten Stein, aber das reicht, um diese herrliche Aussicht ausgiebig zu diskutieren.

 

Nur ein kleiner Ausschnitt (leichtes Tele) der Aussicht: im Vordergrund die Nordspitze von Sandhornöy (Alsvik), im Mittelgrund links Bliksvaer. Im Hintergrund (50 sm entfernt) Vaeröy links, Mosken in der Mitte, Lofotodden rechts.

Sogar Tjeldholmen (Svarvene) mit “meinem” Edgar- Allan-Poe-Rorbu im Malstrom zwischen Mosken und Lofotodden ist zu erkennen.

Weiter links sind in natura alle höheren Berge von Röst bis Skomvaer zu sehen.


Diese Wanderung kommt auf Wiedervorlage - auch wenn ich dort oben, auf den 50 letzten Höhenmetern, trotz meiner warmen Kleidung im scharfen Ostwind wie ein Schneider gefroren habe.
 

 

Zur Orientierung

Blick auf die Mündung des Vestfjords aus etwa 120 km Höhe.

Quelle: Nasa World Wind 1.3.3.1

Das “X” markiert das Skaanlandsfjell.

 

 

 

[Titelseite] [Hinweise]