© Holger Melms
2003-2005

Rund Kunna

 

Wer Nordnorwegen zur See nicht kennt, wird mit der Überschrift nicht viel anfangen können. Kunna ist ein 600 m hoher Berg auf einer Halbinsel, die ohne schützende Inseln aber weithin sichtbar in das hier abknickende Fahrwasser ragt. (Der 86-jährige Petter in Gjerdinga erzählte mir, die alten Fischer seien - auf dem Weg zu den Lofoten - lieber einen großen Bogen um diese unangenehme Ecke gesegelt bzw. gerudert.)

1997 bin ich das erste Mal an Kunna und der angrenzenden Bergwelt vorbeigesegelt. Die vielgestaltigen Berge auf den Inseln und dem Festland haben mich fasziniert, ohne dass ich überhaupt bestimmen konnte, was ich da sah. Das wollte ich dieses Jahr nachholen.


Myken verlasse ich in Richtung Festland bei ruhigem, warmem Wetter ohne jede Fernsicht. Eine Sichtweite von wenigen Seemeilen genügt für eine sichere Navigation, aber nicht, um die bis zu 30 Seemeilen entfernte, majestätische Bergwelt zu sehen.
 

Der Wettergott zeigt sich freundlich - es klart langsam auf. Bolga voraus. Genau hinsehen: man sieht in der Bildmitte zwei Berginseln: Bolga, und links dahinter, Åmöya. Aber man sieht alle - zwischen 400 und 1400 Meter hohen - Berge bis zum Horizont und bis zu ihren Spitzen! Zwar kein Licht für tolle Fotos, aber genügend Sicht zum Genießen der Landschaft.

Ich habe viele Tage erlebt, an denen alle Berge ab 200 m Höhe in den Wolken stecken. Das wurden dann ausnahmslos Hafentage. - Ich weiß nicht, was die Hurtigruten-Veranstalter an solchen Tagen mit ihren Passagieren, die einige Tausend Euro für die Reise bezahlt haben, veranstalten.

Bei diesem noch recht trüben Wetter fuhr ich in den Hafen von Bolga. Am nächsten Morgen war ich dann angenehm überrascht: Sonne!
 

Der Hafen von Bolga und sein rund 400 Meter hoher Berg. (Der Hafen hat sich seit 1997 stark verändert. Damals gab es nur Festmacherbojen. Jetzt schwimmen hier fast 10 Stege, so dass - geschätzt - fünf mal soviel Boote im Hafen liegen können.)
 

Bolga selbst reißt mich nicht vom Hocker, wohl weil ein Jeff an allen Ecken mit sehr hohen Preisen für seine Hütte mit Waschmaschine und Trockner wirbt, an vielen Stellen Schrott rumliegt, im Hafen kein Frischwasser zu bekommen ist, und selbstredend die annoncierte “Speisestätte” (spisested) unauffindbar ist.

Etwas vorurteilsfreier sollte ich hinzufügen: die nordnorwegische Küstenlandschaft ist nicht der locker-flockige Süden, sondern eine rauhe Gegend, die gute Eigenmotivation erfordert. Die fehlte mir hier. Denn mit (funktionierendem) Trinkwasser hatte ich in dem großen Hafen fest gerechnet und war deshalb mit leerem Tank in Myken gestartet. Objektiv ist Bolga vielleicht gar nicht so übel. Es gibt - zumindest laut Plan - eine Reihe von “Wander”-Wegen und einen klitzekleinen Landhandel. Und eine tolle Umgebung ...


Zwar noch nicht das absolut wolkenfreie nordische Superwetter, aber eine gute Fernsicht. Von der Hafenmole aus mache ich vor dem Ablegen noch diese Aufnahmen:

Blick nach Nordosten. Wer schon mal da war, hier die Namen - von links nach rechts: ganz weit hinten (etwa 50 km entfernt) die Insel Landegode (nördlich Bodö); der hohe, rundliche Brocken ist Kunna; rechts dahinter mit der Zackenkrone die Insel Fuglöya; der schräg ansteigende Berg rechts ist das Festland, mit dem Kunna über eine nur gut 5 m niedrige Landbrücke verbunden ist. Die flachen, bräunlichen Inselchen im Vordergrund gehören zu Melöyvaer.
 

Blick nach Osten in den Melöyfjord, der in den Glomfjord übergeht. (Die Aufnahme ist, den Wolken zuliebe, etwas unterbelichtet.)
 

Blick nach Süden: Der Berg im Hintergrund ist der “Rot-Insel-Löwe” bzw. Rödöylöwen. Von See, d.h. von Westen kommend, erscheint der Fels rötlich-braun, daher Rödöy. Von Norden oder Süden betrachtet scheint der Berg die alten Wikinger an einen liegenden Löwen erinnert zu haben.

Die folgenden Aufnahmen wurden während der Fahrt gemacht:

Blick nach Südosten über den Melöyfjord zum Svartisen-Gletscher.
 

Blick nach Norden: Vordere Ebene: die nahezu unsichtbare, weil flache Landzunge, die Kunna (links) mit “seinem” Festland verbindet. Mittlere Ebene: Die Inseln Fuglöya (links) und Sandhornöya (rechts, hiner dem Turm). Hinterste Ebene: die Berge bei und jenseits Bodö. Der Turm ist kein(!) Seezeichen.
 

Kunna, von Süden kommend. Den Berg habe ich an vielen Tagen, oftmals aus einer Entfernung von 30 oder mehr Seemeilen, als Seezeichen benutzt. Jetzt hat er mal ein eigenes Foto verdient.
 

Neue Perspektive, neuer Kurs. Hinter dem Nordufer von Kunna (dunkelbraun) erscheint eine gezackte Kontur mit dem Högnakken als höchstem Punkt (Festland). Der Einschnitt zwischen der Spitze des Sandhorns (auf der Insel Sandhornöya, die aber aus dieser Perspektive mit dem Festland verschmilzt) und der höher erscheinenden Insel Fuglöya (links) markiert das Fahrwasser nach Bodö.

Wie nicht anders zu erwarten: vor Kunna kabbeliges Wasser an einem windstillen Tag.
 

Endete hier (die Vogtei) Helgeland? Im Fahrwasser, etwa 3 Seemeilen nordöstlich Kunna, liegt eine Gruppe von Schären, von denen diejenige, auf der eine Varde steht, den Namen “Nordre Helgelandsflesa” trägt. (An der Südgrenze von Helgeland steht eine Varde auf einer Schäre mit der Bezeichnung “Helgelandsflesa”.) Das rot-weiß-schwarze Leuchtfeuer steht auf der südlichsten Schäre dieser Gruppe. Die Insel im Hintergrund ist Fuglöya (“Vogelinsel”). Sie gehört zur Gemeinde Gildeskaal und besitzt einen recht geschützten Hafen (Sörfuglöy), der heute praktisch nur noch von den Sommerurlaubern in den rund 40 Häusern benutzt wird.

Die heutigen Tourismus-Vermarkter ziehen die Grenze zwischen den alten Landschaften Helgeland (im Süden) und Salten (im Norden) durch das Hindernis zu Land, den Svartisen-Gletscher. Ich halte mich lieber an die Namen auf den Seekarten, und danach liegt die Grenze bei dem Hindernis zur See, Kunna. (Den seefahrenden Norwegern der vorigen Jahrhunderte dürfte der Svartisen-Gletscher ziemlich gleichgültig gewesen sein.)

 

Immer wieder erstaunlich: auf welch kleinen Flecken sich Menschen ansiedelten. Der “Ort” am Fuße des Bergs im Vordergrund (Finneskua, 506 m) heißt Finnes, meist ein Hinweis auf (noch ärmere) nicht-norwegische Bewohner. Im Hintergrund rechts der 1045 m hohe Högnakken, von dessen Nordhang vier riesige Antennen zum 820 m hohen Nachbarberg (im Hintergrund) gespannt sind.
 

Mein erster Stopp nach Kunna: Inndyr. Der kleine Hafen ist randvoll und in der Sonne recht malerisch. Inndyr ist der Sitz der Gemeindeverwaltung von Gildeskaal. Los ist hier allerdings nichts, bis auf das Joker-Geschäft (Landhandel), das sogar am Sonntag bis 22 Uhr geöffnet ist. Der Ort hat im letzten Jahr einen super-modernen Rad- und Fußgängerweg erhalten, ist aber nur über eine gefährlich enge, kurvenreiche Stichstraße, die von der Reichsstraße 17 abzweigt, oder über Fährverbindungen zu erreichen.
 

Es gäbe noch mehr über diesen Ort zu sagen, aber das gehört nicht hierher.

Mein nächster Stopp erhält ein eigenes Kapitel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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