© Holger Melms
2003-2006

 

 

Hammerfest zum Ersten

 

Was mich bei meinem ersten Stopp auf dem Weg nach Norden am meisten verwundert: im Erscheinungsbild der Stadt ist von den Milliarden Kronen, die in der STATOIL/Snöhvit-Gasgewinnungsanlage investiert und bald dank steigender Ölpreise auch sicher verdient werden, nichts zu bemerken.

Hammerfest 2003

 

Die Bürgersteige der Hauptstraße sind genauso ungepflegt wie die Hausfassaden*. Wer den städtebaulichen Charme der German Democratic Republic mochte, wird sich hier sofort zu Hause fühlen.

Unverändert ist das auf kleiner Flamme kochende Touristen-”Geschäft” (der  “Eisbären-Club” und ein oder zwei Spezial-Geschäfte für die Hurtigruten-Touristen, das langweilige Straßenbild, der einseitige aber solide Schwimmsteg  - für fünf 10 m Boote -, die Einkaufsmöglichkeiten jenseits des Tagesnotwendigen, das wenig besuchte Café-Restaurant auf dem Hügel - aber auch das Hotel am Hafen mit seinem meist freundlichen Personal. Auch das “Redrum” existiert noch, allerdings spielt an diesem Samstag keine Band, da in Lakselv und Tromsö größere Veranstaltungen sein sollen. Auch die Betrunkenen am Sonntag früh gibt es noch, allerdings an Land. Da können sie mir egal sein.

* Wenn schon ein DDR-Vergleich: die meisten Geschäfte sind in ihrem Inneren sehr gepflegt.

23. Juli 2006  13:25  Ren an  Flussbrücke der Hauptstraße

 

Keine Aufnahme aus dem Tierpark!

 

Das Foto könnte täuschen. Menschen lassen die Tiere nur auf maximal 10 m herankommen - die restliche Distanz erledigte die Kamera . Kommt ein Hnd (an der Leine) auf 100 m heran, trappeln die Tiere schnell in eine Nebenstraße.

 Rentiere grasen auch dieses Jahr in der Innenstadt. Aber wohl nicht mehr lange. Ein Zaun ist bereits gebaut, wirkt aber noch nicht wie geplant.

 

23. Juli 2006  12:46  Nordnorge ISPS geschützt

 

Neuerdings ISPS geschützt!

Letztes Jahr konnte ich noch in Rörvik und Bodö auf den Kais, an dem die Hurtigrute  anlegt, frei herumlaufen, obwohl der 11. September schon etwas zurückliegt. Jetzt haben sich nach Auskunft eines Stewards die Amerikaner durchgesetzt und selbst in Bergsfjord mit seinen 100 Einwohnern gibt es einen ISPS-Kai. (Nur Befugte dürfen ihn betreten, in größeren Orten ist er mit Zaun und Toren abgeriegelt.)

Jeder Passagier bekommt eine Chipkarte und muss sich am Eingang ab- und wieder anmelden. Ein Steward hilft den meist betagten Passagierern beim Umgang mit dem Chipkartenleser.

Kaffeetrinken für Besucher von Land ist aber weiterhin möglich - in den Häfen mit längeren Liegezeiten. Man muss sich halt ausweisen.

ISPS steht für “International Ship & Port Faciclity  Security”

23. Juli 2006  13:16  Bauplatz Hammerfest

 

Schon vor 2 Jahren ...

... sah es hier so aus. Und die zukunftsweisenden Architektürbüro-Vorschläge hingen schon damals an der Bretterwand.

Hier stand früher die noch in vielen Reiseführern erwähnte Nestlé-FINDUS-Fabrik, später NORWAY SEAFOOD AS. Am Ende der Vierziger Jahre, also mit dem Wiederaufbau der Stadt gegründet, war dieser “Fischveredelungsbetrieb” der wichtigste Arbeitgeber der Stadt mit bis zu 1300 Beschäftigten am Ende der 60er Jahre; ist also schon lange her. Damals wurden hier 36 Tausend Tonnen “Rohware” - also tote Fische - verarbeitet.

2003 wurde eine neue Anlage im nahegelegenen Rypefjord in Betrieb genommen (Anzahl Beschäftigte ca. 200; Anzahl Tonnen “Rohware” ca. 12 Tausend Tonnen). Danach wurden die alten Gebäude im Zentrum der Stadt abgerissen. U.a. soll hier ein Kulturhaus gebaut werden.

 

Das Gebäude hinter der PHINE war 2003 gerade im Bau. Es beherbergt einige nette Geschäfte und Büros sowie eine Pizzeria an der Wasserfront. An den schwarz-gelben Pfählen liegen die Personenfähren (Katamarane, hutigbåter) oft mit laufenden Motoren.

Sieht nach italienischem Flair aus ...

... täuscht aber. In meinen fünf Besuchen von Hammerfest habe ich den Eindruck gewonnen, dass lockere Sommer-Ferienstimmung hier einfach nicht aufkommt - selbst wenn die Sonne scheint, was sie an diesem regnerischen Sonntag gerade mal 2 Minuten lang tat. Was an dem Schwimmsteg auch nervt, ist die Neigung vieler einheimischer Bootsfahrer, ihre Motoren stundenlang dröhnen und qualmen zu lassen. (In Schweden maximal 3 Minuten für Autos  erlaubt, selbst im Winter. Diese Regel beherzigen dort viele.)

 

Das Foto verstößt absichtlich gegen die “Vordergrund-muss-sein-Regel”, um meinen Eindruck eines langweiligen Platzes wiederzugeben.

Das Zentrum von Hammerfest

Auf diesem Parkplatz stand 2004 das Große Bierzelt des 3-tägigen Ölfestivals. In dem weißen Kubus rechts konnte man für 160(!) Kronen Mitglied eines (albernen) Eisbärklubs werden. (Anstecknadel plus ein “Zertifikat” plus freier Eintritt in ein drittklassiges Museum. Das Ganze wurde vor kurzem ganz dicht an den Hurtigrute-Kai verlegt. In Tromsö steht ein lohnenderes Polar-Museum.)

Die grünblaue Veranda in der Bildmitte gehört zum “Hammerfest-Hotel”, in dem ich bei jedem Besuch freundliche, sprich hilfsbereite Mitarbeiter antraf. (Dieses Jahr Gratis-WLAN als Einhand-Segler im Hafen sowie zwei Bildbände und Kaffee ohne Ende.)

 

Hammerfest zum Zweiten

 

Auf der Rückreise hatte ich auf den Anruf eines potentiellen Besuchers (Name bekannt) zu warten, der dann aber doch absagte, weil er zu spät die Flüge buchen wollte, so dass die An- und Rückreise einfach zu teuer geworden wäre.

(Um Hammerfest per Zug und Bus zu erreichen, muss man in Narvik übernachten, weil der einzige Bus von dort nach Alta um 13:00 abfährt, während der Zug aus Stockholm um 13:27 in Narvik eintrifft. In Alta spät abends angekommen muss man auch dort noch übernachten, um am nächsten Morgen die fehlenden 200 km mit dem Bus nach Hammerfest zu fahren. Es ist wirklich nicht leicht zu glauben, wie schlecht die Verbindungen für Touristen hier oben sind.)

 

Bei meiner Ankunft liegt dieser merkwürdige Wasserfloh am Steg. Er ist mit über 30 weißen Kanistern (auf dem Foto sind nur 5 davon zu sehen) beladen.

Ich kann mir keinen rechten Reim drauf machen und habe nur eins im Sinn: mein Heck möglichst bald in die hinterste Ecke zu bekommen, um mein Ruder vor betrunkenen Motorbootfahrern in Sicherheit zu bringen.

 

 

Ein Foto mit Seltenheitswert. Nicht etwa das Motorboot neben mir! (Es stimmt zwar, dass sich Motorboote selten neben Segler legen, auch hier musste ich extra dazu einladen, der Fahrer war sehr diszipliniert auf der Suche nach einem Liegeplatz.) Wer es nicht sieht, hier die Lösung:

 

Ein Krähe versucht auf meiner ohnehin ramponierten Windex zu landen.

Diese “intelligenten” Viecher inspizieren fast jeden Morgen gegen Fünf das Boot in fast jedem Hafen - mit den entsprechenden Hinterlassenschaften.

 

An den folgenden Tagen werden sich die Dinge verzahnen. Ich werde sie entzerren und jedes für sich berichten.

 


Olga

 

Olga führt weder eine Gastlandflagge noch eine Nationalflagge, es gibt auch keinen Heimathafen. Selbst der “Schiffsname” ist nur mit Filzstift neben die beiden Motoren geschrieben.

Es ist eine bis zum Stehkragen beladene 6-Meter-Jolle, mit der vier Männer bereits zu 2 Dritteln das Nordpoleis (Ost-West-Passage) umrundet haben.

 

Zwei supersympathische Grönländer, wahrscheinlich* Frederik Lynge  and Ole Jørgen Hammeken.

*Ich hatte erwartet, im Internet eine ausführliche Dokumentation zu finden, fand aber nur Bruchstücke.

Die Crew besteht aus 3 Expeditions-Teilnehmern und 3 “Touristen”, die in Kirkenes aussteigen werden. Dort wird ein viertes Mitglied zusteigen; ein Russe. Das fehlende Drittel oder Viertel liegt irgendwo in der Mitte von Sibirien. Man hat mir den Ort genannt, ich habe noch nie den Namen gehört.

 

Aus den spärlichen Informationen entnehme ich den Namen des Skippers: Anders Bilgram (Kopenhagen)

Die beiden 140 PS Motoren sollen dem Boot eine Geschwindigkeit von rund 35 Knoten ermöglichen (also das fast 10fache PHINEs Durchschnittsgeschwindigkeit!)
Auf der “Hinterbank” die drei “Touristen”. Am Steuer der dänische Skipper.

 

Normalerweise vertraue ich darauf, dass ich Informationen im Internet finde und frage nicht nach Details. Klappte hier leider nicht. Es war nicht viel unter der angegebenen Adresse zu finden. zu finden. Hätte also mehr fragen sollen. Wird vielleicht nachgeholt.

Ganz leise und vollkommen unspektakulär gleiten sie aus dem Hafen von Hammerfest. Ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt.

Im Internet habe ich unter der angegebenen Adresse wenig Information gefunden, zumindest aber soviel:

 

 

Die Aufnahme stammt vermutlich aus dem Jahr 2000, denn die Expedition begann schon 1999 und war für 5 Jahresetappen, jeweils im wärmsten Sommermonat, ausgelegt. In Russland gab es erst administrative Verzögerungen und dann Motorschäden auf Grund des schlechten Benzins, der zu einem Abbruch führte. Boot und Gepäck wurden mit einer Militärmaschine nach Europa/Moskau geflogen. Von Kopenhagen via Grönland, Kanada, Alaska bis zur Mitte Sibiriens haben sie es schon geschafft. Jetzt wollen sie von Westen kommend diesen mir unbekannten Ort in Sibierien erreichen, womit die Umrundung vollendet wäre.

 


Syrenka

 

Am Nachmittag des 6. August läuft eine polnische Club-Yacht in den Hafen.

 

7. August 2006   10:52   SYRENKA HeckIm ersten Moment dachte ich: eine typisch chaotische Chartercrew. Keine Ahnung von Knoten und Leinen aber mit dem Skipper diskutieren.

Ein norwegischer Segler als auch ich verholten unsere Boote um 2 m, um das recht große (geschätzt 16 m) polnische Segelboot an den Schwimmsteg zu bringen.

 

Die Crew bestand aus neun sehr gut Englisch sprechenden Studenten aus Warschau, die das Boot in Narvik übernommen hatten, die Fahrt nach Spitzbergen bei der Bäreninsel wegen schwerem Wetter abgebrochen hatten und jetzt auf dem Weg nach Tromsö waren, um das Schiff an die nächste Crew zu übergeben.

Als ich mit dem Segler aus Alta noch schwatzend herumstand, wurden wir zum Fischessen eingeladen. Wir nahmen die Einladung gerne an.

 

6. August 2006   23:41   SYRENKA Heck

Links außen der Skipper, in der Mitte der beim Anlegen diskutierende “Steward”, rechts xxx aus Alta.

Es wurde ein herrlicher Abend. Es gab vollkommen unorthodox gekochten Fisch in enormen Mengen, viel Diskussionen und erst nach Mitternacht (nach diesem Foto) kam die Literflasche Wodka auf den Tisch. Der Abend endete früh um Vier.

 


Reica

 

“Und wie geht es hier weiter?” scheint dieser deutsche Schäferhund zu denken.

Er gehört einem amerikanisch-kanadischen Paar, das ich zunächst für Touristen, dann für Hammerfester gehalten habe, bis mir klar wurde, dass sie gerade eine halbe Stunde bevor wir uns im Hammerfest-Hotel begegneten, aus den USA angekommen waren.

Selten so informierte und diskussionsfreudige Amerikaner wie diesen Ingenieur und diese Sängerin getroffen. Dazu vollkommen unkompliziert und hilfsbereit wie die meisten Amerikaner. Eine Wohltat.

Und Reica ein Prachtexemplar von einem Hund.

 

Fazit: mit diesen Begegnungen kann man Hammerfest gut aushalten, ohne sie ist es schon deutlich schwieriger.

 

... to be continued ...

 

 

 

Hammerfest mit Aussichts-Café,

das oben auf dem Berg leider nicht im entferntesten an das Flöyen-Café in Bergen heranreicht, vielleicht nur, weil keiner den Zick-Zack-Weg hinauflaufen will. Und das Winterwetter scheint auch nicht gerade besucherfreundlich zu sein, wie die vielen Lawinen-Fangzäune am Hang vermuten lassen.