© Holger Melms
2003-2005

Havöysund: Pause vor und nach dem Ziel

 vor dem Ziel / Insel Måsöy / nach dem Ziel / Luftbild / Historisches Bild / Begegnungen

Mein Weg ab Tromsø: bei guenstigem Wind durch bis zur Insel Loppa und nach Schlafpause weiter bis Hasvik. Ausser einem Flugplatz hat der kleine Gemeindeort nichts zu bieten. Also nachts weiter bis Hammerfest mit viel Kampf im Strom des Sørøysunds.

Ein schønes Wochenende in Hammerfest und danach durch eine menschenleere, kahle Landschaft bis Havöysund, dem letzten Stop der Hurtigrute vor Honningsvåg, dem "Nordkapp-Hafen".

Dieser kleine Ort hier verkörpert viel besser die Lebensbedingungen am Nordzipfel Europas, als das vermutete Touristen-Schwemmland „Nordkapp“ auf der Insel Mageröy mit dem Hafen Honningsvåg als Zentralort. Ich werde es sehen. (Siehe Mageröy / Nordkapp.) Für mich ist erst mal hier der nördlichste Punkt Norwegens.


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Havöysund zum Ersten

Das ist Havöysund in karger subaktischer Landschaft. (Würde man genau nach Westen segeln, käme man zur Mitte Grönlands bzw. an die Nordküste von Alaska. Island liegt weit „unterhalb“. Nur mal so. Siehe “Nordpolkarte”.)

Auf etwa 1500 Einwohner kommen unglaublich viele Boote. Im Mittelgrund etwa ein Viertel davon.

Die sichtbaren Häuser machen ungefähr 70% des gesamten Ortes aus. Er ist Gemeindezentrum und besitzt eine Bibliothek mit genau einem Internet-Bildschirm, aber das reicht, denn ich bin wohl der einzige Interessent.

Das sind weitere 25% der Boote und weitere 10% aller Häuser. Besonders wichtig: an dem großen weißen Gebäude legt die Hurtigrute an - ihr werdet sehen, warum.

Nachdem ich mich wieder beim Hafenmeister vorgestellt habe, liege ich hier wohl bewacht an einem soliden Schwimmsteg für durchreisende Fischer: eine Wohltat, Touristen gibt es hier nicht in Gruppen sondern nur einzeln.

Und Power-Segler kommen hier auch nicht vorbei sondern düsen nach Umrundung des Nordkapps gleich durch bis Hammerfest oder Tromsø. Und der Strom ist für Gastlieger billiger als zu Hause: 50 kWh für 50 NOK, das sind weniger als 12,5 Cent pro kWh. Sollte man hier nicht ein paar genüßliche Tage bleiben und mit der Hurtigrute ein paar Stationen fahren? Mal seh’n.

Wer’s nicht glaubt wie hoch im Norden ich bin: dieses Schild am Ortsausgang von Havöysund besagt:

„Ab Havöysund: 7 Uhr (aber nicht sonntags), 8:45, 11:15, 14:40 (aber erst 15:30 freitags und sonntags), 16:45 aber 17:25 freitags und sonntags), 19:00, 21:30.“

Und was soll das Ganze? Ganz einfach: im Winter (Oktober bis März, 1993 bis Ende Juni) ist Havöysund mit dem Auto nur hinter einem Schneepflug im Konvoi zu erreichen bzw. zu verlassen. Jedenfalls nicht bei Schneefall. Weiter östlich gibt es sogar zwei Straßen, die im Winter gesperrt werden und die durch Fährlinien (wenn das die Ignorantinnen von Pantaenius wüssten) ersetzt werden.

Im weißen Rahmen seht ihr die 7 Seemeilen entfernte Insel Måsöy. Alles andere links und rechts und dahinter ist die große Insel Mageröy, an deren Nordzipfel das echte und das falsche Nordkapp liegen, ungefähr da, wo der Pfeil hinzeigt.

Entfernnung zum echten Nordkapp 23 sm, zum falschen 24,5 sm. Und was ihr noch seht: Wind und Wellen wieder mal genau aus der Richtung, in die ich segeln wollen würde.

 


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Via Måsöy zurück nach Havöysund

Der kleine aber feine Schwimmsteg im westlichen Hafen der Insel Måsöy, die zur Gemeinde Havöysund gehört.

Schon beim Anlegen wurde ich freundlich begrüßt. Vielleicht liegt es daran, dass auf dieser Insel Fremde so selten sind. Hier bestätigt sich wieder: echte Inseln sind ein lohnendes Ziel für Segler; Orte, die man direkt mit dem Auto erreichen kann (wie Gjesvär auf Mageröy), sollte ich meiden.

Diese Insel war früher das Gemeindezentrum und der größte Ort der umliegenden Inseln. Später wurde die Verwaltung näher ans Festland auf die Insel Havöy verlegt. Doch die Gemeinde heißt weiterhin „Måsöy Kommune“.

Der westliche Hafen der Insel Måsöy. Eine Sonntagsidylle.

Im Hintergrund (im Osten) die Insel Mageröy im Abstand von etwa 10 Seemeilen.

Die Insel Måsöy liegt rund 7 Seemeilen von Havöysund entfernt und wird noch regelmæssig von einem Tourenboot angelaufen. Wie lange die letzten 40 permanenten Bewohner hier noch (über-) leben werden, scheint mir in den Sternen zu stehen, zumal die Fischerei immer weniger einbringt.

Flaschenpost - gibt’s die noch? Wohl kaum. Das war jedenfalls meine Grundhaltung, als ich über die Insel Måsøy in Richtung Osthafen schlenderte und von einer etwa 50-jährigen Inselbewohnerin eingeholt wurde.

Sie war den ansteigenden Weg östlich der Kirche hinter mir hinterher gerannt und war vollkommen außer Atem. Sie hielt mir zwei Papierseiten entgegen und brachte es nur mühsam fertig, mich davon zu ueberzeugen, dass es sich bei den Papieren um den Inhalt einer Flasche handele, die sie an diesem Tag am Strand gefunden habe. Ich las den Absender mit der Telefonnummer und rief spontan dort an, es war aber besetzt. Also versprach ich ihr, mich mit dem Absender später in Verbindung zu setzen und steckte die beiden Papiere ein. Ich kann mich ärgern, dass ich nicht nach ihrem Namen gefragt habe, aber ich war an diesem herrlichen Sonntag wohl zu lange in der Sonne.

Ich kam auch erst später auf die Erklärung, warum sie gerade hinter mir hinterher gerannt war: erstens fällt auf diesen abgelegenen Inseln jedes fremde Gesicht sofort auf; zweitens fällt die PHINE mit ihrem abartigen roten Radarreflektor sofort als fremdes Boot auf und drittens hatte ich beim Anlegen mit zwei der vierzig Inselbewohner gesprochen und berichtet, dass ich aus Hamburg käme.

Zum Inhalt: „Einen herzlichen Gruß von der Nordlandfahrt der MS „ARKONA“ vom 12.7. - 30.07.2001 Bremerhafen - Oaklands - Island - Spitzbergen - Nordkap - Bergen - Kopenhagen - Kiel“. (Mann, was die alles ausgelassen haben!) Den freundlichen Absender habe ich am folgenden Tag telefonisch erreicht.


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Havöysund zum Zweiten

Havöysund, Sonntag Abend (29. Juni 2003). PHINE liegt wieder an der alten Stelle, an der sie am wenigsten der Strömung im Sund ausgesetzt ist.

Ich bin froh, wieder hier zu sein und den Rummel in Honningsvåg und am Kapp und das unerfreuliche Gjesvaer hinter mir zu haben. Und die nächste angenehme Überraschung wartet auch schon auf mich.

„Bonsoir, Messieurs Dames“. Meiner Antwort - im Vorbeigehen - auf ein freundliches „Bonsoir“ der sechs Franzosen in ihrer Wagenburg und einer kurzen Unterhaltung auf Französisch folgte die spontane Einladung zur Teilnahme an deren abendlichem Crêpes-Essen.

Sie hielten den Hügel oberhalb des Hafens mit ihren Wohnwagen (aus 78, 92 und 14) besetzt. Von dort hat man den Blick auf die Mitternachtssonne ganz ohne Trubel, und das war mein Ziel.

Es war eine Gruppe von Pensionären aus Paris, die gezielt von den bekannten Routen der Standard-Touristen abgewichen waren und diesen Platz gefunden hatten. Wir unterhielten uns bis Mitternacht. Dann war die Sonne immer noch deutlich oberhalb der Silhouette der vorgelagerten Insel Hjelmsöya und mein Bedarf an Sonne war an diesem Sonntag war auf Null gesunken.

Der Havöysund mit der (schlecht erkennbaren) Brücke mit immerhin 23 m Durchfahrtshöhe. Die Brücke und die dazugehörige Gebirgsstraße verbinden den Ort erst seit 1988 - also seit 15 Jahren - mit dem restlichen Straßennetz.

Im Hintergrund der bescheidene Windpark, dessen Strom nach Holland geliefert wird. Blickrichtung nach Westen.

Blick von der Havöysundbrücke in Richtung Osten. Links hinter den grell-weißen Dächern (der Werft) liegt das geschützte Hafenbecken, zu dem der „beidseitige“ Sund bei jedem Wetter die Zufahrt ermöglicht.

Der Ortsname Hav-Öy-Sund - Meeres-Insel-Sund - ist soll ein vernuscheltes Havn-Öy-Sund - Hafen-Insel-Sund sein.

Wind, Strömung und Schwell, der auf diesem Foto deutlich zu erkennen ist, machen das Anlegen im Sund an einem Kai (ganz hinten rechts, zum Tanken) oder am Gäste-Schwimmsteg (hinten links) zu einer kleinen Herausforderung.

Die Nebel ziehen auf. Blick von Havöysunds Hausberg (139 m) in Richtung Osten am Dienstag Abend (1. Juli 2003).

Der kalte Ostwind erzeugt die Nebelstreifen sehr systematisch. Einige Flächen bleiben zunächst noch nebelfrei und an warmen Stellen über dem Festland löst sich der herangewhte Nebel sogar wieder auf.

Ein paar Stunden später hat der Nebel dann überall gewonnen. Die kleine Insel mit dem Leuchtturm heißt Garpeskjaer.

Eine weitere Überraschung: Claudines Velferd. Claudine ist die Tochter des Franzosen, den ich vorige Woche mit seinem Enkel beim Angeln neben der PHINE traf, und der mir von seiner Tochter erzählte, die hier mit einem Fischer verheiratet sei. Das ist soweit klar.

Aber was ist „Velferd“? Laut Wörterbuch ist es mit „Wohlfahrt“ zu übersetzen. Macht aber im Deutschen keinen direkten Sinn.

Im Norwegischen ist Velferd ein Ort, an dem durchreisende Fischer sich duschen und ihre Wäsche waschen können. (Habe ich bisher nur einmal, auf Traena in Helgeland angetroffen.). Als quirlige Pariserin hat Claudine dann noch eine Küche und zwei Aufenthaltsräume (Raucher und Nichtraucher!) mit Fernseher hinzugefügt.

Eine Familie aus Paris am Ende der Welt. Die Eltern sind zwar nur zu Besuch, die Tochter Claudine muss aber in Zukunft den ganzen Winter hier ausharren, seitdem ihr ältestes Kind zur Schule geht.

Dazu muss man wissen, dass das anstrengende Leben eines Fischers etwas dem eines Hasardeurs gleicht: hat er Glück, fängt er die erlaubte Menge Fisch (es gibt in Norwegen strenge Fangquoten!) in kurzer Zeit und kann den Winter mit seiner Familie im warmen Süden verbringen. Hat er Pech oder schulpflichtige Kinder, ist es nichts mit dem warmen Süden.


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Havöysund aus der Luft

Dieses Foto stammt aus dem ### und ist etwa 20 Jahre alt.

Die Brücke über den Sund ist noch nicht gebaut und die zwei fast quadratischen Hafenbecken in der Bildmitte scheinen neu angelegtund noch ohne Boote zu sein.


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Havöysund vor 200 Jahren

 Havöysund war ebenso wie Loppa auf Grund seiner besonderen Lage seit Jahrhunderten ein wichtiger Hafen und Handelsplatz.

Die Abbildung stammt aus einem Buch “Handelsorte in der Finnmark”, das ich in Bergsfjord in die Hände gedrückt bekam.

Um ehrlich zu sein, die 200 Jahre sind geraten, denn ich habe mir die genauen Daten leider nicht notiert.

Die Kirche muss etwa da gestanden haben, wo heute die Werft (mit den großen weißen Dächern) steht.


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Weitere Begegnungen

Mit dem Besitzer des Restaurants aus Sri Lanka, der sich darüber freute, endlich mal einen Deutschen zu treffen, mit dem man diskutieren konnte,

 - einem Fischer, der in die EU will und vom Krieg berichtet, dass sein Elternhaus eine elende Kate war und sie erst nach dem Wiederaufbau ein ordentliches Haus besaßen,

- von der netten Dame in der Bibliothek, die mir vorschlug, auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten am Internet-Bildschirm zu arbeiten,

 - und deren freundlichen Mann, der mich beim Tanken in fließendem Deutsch ansprach,

- dem Besitzer des Kriegsmuseums, der mir ein wichtiges Buch lieh,

- dem Betreiber des örtlichen Museums, der vieles aber fast nichts vom Kriegsgeschehen wusste,

- dem Hafenmeister und dessen Schwager, die mir zu preiswertem Strom am Steg verhalfen,

- dem freundlichen Fischer, der mich mit dem Hafenmeister überhaupt erst bekannt machte,

und schließlich die Begegnung mit Jörg Lehmann an meinem letzten Tag in Havöysund.

Die Kreuz As des Berliners Jörg Lehmann. Die Aufnahme entstand bei trübem Wetter in ziemlicher Eile und liess sich nur mit viel Mühe “aufpeppen”.

Wir unterhielten uns mehrere Stunden. Das Wichtigste: ich bekam von ihm einen Tipp, wie ich mein Reffproblem (Details würden zu weit führen) lösen könnte. Der Tipp erwies sich als eine elegante Lösung. Auf der Hansaboot hatte ich jeden Herbst vergeblich danach gefragt.

Es geht doch nichts über die Ossis. Die wissen wenigstens noch, wie man Probleme löst, ohne sich gleich ein neues Rigg, einen neuen Motor oder gleich ein neues Boot zu kaufen. (Nach meiner Motorpanne war es in Grunnfarnes ebenfalls ein Ossi, der mir entscheidend weiter half.)

 

 

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