By Holger Melms
Share Alike

Except where otherwise noted, content on this site is licensed under a Creative Commons  License.

Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
1993
1994
1997
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Å,å = Aa,aa    ø=ö

Zum “Edgar Allan Poe Rorbu”

 


Vaeröy / Rorbu auf Tjeldholmen / 2003: Durch den Malstrom
 

 

 

 

 


Übersichtskarte Lofoten und angrenzende Gebiete
(Die roten Linien sind Straßen und Fährlinien.)
 

 


Mein ursprünglicher Törnplan lautete: Minimum Reine, Å i Lofoten, Malstrom, Værøy, Røst, Skomvær.

Reine und Å i Lofoten wurden gestrichen, da sie auf dem “Festland” liegen und leicht mit dem Auto erreicht werden können, in den Sommerferien touristisch überflutet sind und somit keine originären Ziele für ein Boot darstellen.

Erhalten blieben die Ziele “Malstrom” und Skomvaer, die allerdings nur bei guten Wetterverhältnissen gefahrlos angesteuert werden können. Um sie zu erreichen, liegen auf den  beiden Fischerinseln Vaeröy und Röst ideale Ausgangshäfen.
 

 

Über den Vestfjord

 

 

 

1. Juli 2005 17:16 Vestfjord [Canon G5]

 

Aus etwa 25 Seemeilen Abstand habe ich bei dem denkbar schönsten Wetter diesen Blick auf mein erstes Ziel.


 

 

1. Juli 2005 20:28 Vestfjord [Canon G5]

 

Noch etwa 2 Stunden (10 Seemeilen) bis zum Tagesziel Værøy.

 

 

           o

 

Vaeröy

 

1. Juli 2005 21:31  Vor Vaeröy/Rössnes  [Canon G5]

 

Abends um halb Zehn: In der Einfahrt zu dem älteren Hafen Røssnesvågen mit dem leuchtend weißen Leuchtturmhaus. (Es soll 1880 gebaut worden sein und sei das erste Steinhaus auf der Insel gewesen. Heute scheint sich kaum noch jemand darum sonderlich zu bemühen. Nicht mal Radio Værøy. *)

Nach 50 Seemeilen (ab Nygårdsjøen) ist damit der Vestfjord überquert.
 

 

1. Juli 2005 22:53 Vaeröy  Rössnes [Canon G5]

 

PHINE hat sich unter die Fischer gemogelt. (Im benachbarten neueren Hafenbecken soll es wieder einen Gäste-Schwimmsteg geben. Vor zwei Jahren gab es dort nur einen an Land, der vom Sturm zerfetzt wurden war. Von dort in den Ort zu laufen ist allerdings eine ziemlich öde Sache.) Die Aufnahme entstand abends um Elf.
 

 

Veränderungen auf Værøy?

 


Seit 1997 war ich mehrmals auf dieser Insel. Wie entwickelt sie sich?

(Laut Statistik nimmt die permanente Bevölkerung stetig ab, während die Fischerei-Betriebe um ihre Existenzen kämpfen und die Gemeindeverwaltung auf den Geldsegen des sommerlichen Tourismus hofft.)

Bei einem abendlichen Spaziergang in das ”Zentrum” habe ich keine wesentlichen Veränderungen gesehen. Der “Kro” (Restaurant und einziger Pub) hat weiterhin nur Mittwoch, Freitag und Samstag am Abend für ein paar Stunden offen, es gibt kein eigentliches Hotel, die Polizeistation ist umgezogen und hat einer Jugendherberge Platz gemacht. Der “Kiosken” hat weiterhin bis 22 Uhr offen und die Touristen-Information gegenüber dem Gemeindehaus ist weiterhin nur wenige Stunden geöffnet. Anhand der Autonummern-Schilder lässt sich vermuten, dass im Sommer viele Häuser der Insel von norwegischen Sommerurlaubern vom Festland belebt werden. Auch wenn es nur eine Spritztour war, die das abgelegene Nordland außer Acht ließ: viel scheint sich nicht verändert zu haben.
 

 


Einiges ist mir aufgefallen:
 

 

1. Juli 2005 23:50  Radio Vaeröy  [Canon G5]

 


*) Durch Zufall blicke ich auf dem Rückweg vom Zentrum zum Røssnesvåg nach links und sehe dieses verfallende Haus mit dem intakten Firmenschild. Die “Firma” wird in dem 1995 erschienenen Dumont-Reisetaschenführer “Lofoten/Vesterålen” erwähnt: “Radio Værøy benutzt das 1880 gebaute Leuchtturmgebäude als Studio.” Doch dort habe ich 2003 vergebens einen Hinweis auf diese Radiostation gesucht. Das Haus markiert das untere Ende des Häuser-Spektrums auf Værøy.
 

 

Das mit übergroßem Abstand obere Ende der Wohnhaus-Skala auf Værøy ist dieses Haus in Røssnesvåg:
 

 

2. Juli 2005 12:43 Vaeröys schönstes Haus  [Canon G5]

 


Bei jedem Besuch auf der Insel habe ich dieses Haus und seinen schlossparkwürdigen Garten bewundert und mich gefragt, welchem Großgrundbesitzer, Bürgermeister oder Fischgroßhändler dieses Anwesen wohl gehören mag.

Ich wiederhole mich: dieses an anderem Ort normale Anwesen erhält seinen wohltuenden Reiz durch die restliche, durchgehend ”zweckmäßige” Bebauung von Værøy.

Diesmal konnte ich mir nicht verkneifen, die im Garten arbeitende Frau zu fragen, wem dieses Haus gehört. “Das ist mein Haus”. Vor Verblüffung unhöflich fragte ich nach ihrem Beruf: “Krankenpflegerin bei der Gemeinde”.
 

 

Keine sehr ansprechende Kopie einer Zeiungsseite aber eine wundervolle Wetterprognose für das Gebiet um Bodö, also auch für die Lofoten.

 

 

 


Zurück an Bord und ablegen!
 

 

2. Juli 2005 13:08 Rössnes Leiter   [Canon G5]

 

Nebenbei bemerkt: wer diese Leitern nicht mehr mag ist reif für ein geruhsameres Rentnerleben. (Man könnte es auch darwinistischer formulieren.)
 

 

Nach oben

 


Wer Edgar Allan Poe und seine Kurzgeschichte “Der Malstrom” nicht kennt, kann hier aufhören zu lesen. Denn ohne Kenntnis dieser schauerlich-schönen - und wahrscheinlich zutreffenden - Geschichte ist das Folgende nur kalter Kaffee.

Wer es genau wissen will, findet hier den Originaltext in Englisch und eine deutsche Übersetzung. (Eine norwegische Fassung habe ich nicht gefunden. Vielleicht kennt deshalb kein Norweger diese Geschichte.) 

 


Aber bei der Wetterlage, die Edgar Allans Erzählung zu Grunde liegt, fährt hier niemand entlang, nicht einmal Frachter. Wer es nicht glaubt, kann im DNL ... ... nachlesen.

Der etwa 3 Seemeilen breite Malstrom liegt nördlich von Varöy, die Entfernung dorthin beträgt rund 8 Seemeilen. Auf dem Weg dorthin passiert man die unbewohnbare Insel Mosken. Mitten in der “Durchfahrt” zwischen der  Insel Mosken und dem Südzipfel des Insel Moskenesöy im Norden liegt eine kleine Gruppe von Inselchen. Auf einer etwas größeren Insel steht eine Hütte, an der ein enges, gewundenes Fahrwasser vorbei führt. Und vor der Hütte kann man auf 6 Meter tiefem Wasser ankern. Dass das alles zutrifft, wusste ich schon seit 2003, als ich hier entlang fuhr. Siehe 2003/Lofoten/Malstrom. Zum Ankern und an Land gehen hatte ich nicht den Mut. Und war auch nicht darauf vorbereitet. Das wollte ich jetzt nachholen.
 

 

 

Die Wetterlage (mehrere Tage kein Starkwind und jetzt Windstille) war bestmöglich und die Zeit war so gewählt, dass ich kurz vor Niedrigwasser dort eintraf. Dazu kam dieses herrliche Sommerwetter.

(Welche Zeit am besten geeignet ist, steht ebenfalls im DNL. Die Tidenzeit “1,5 Stunden vor Hochwasser” wie abgebildet wollte ich auch bei ruhigem Wetter vermeiden.)

 

Mittlerweile werden die zahlungskräftigen Touristen, auf Rafting-Power-Booten fest angeschnallt, hier entlang gefahren. Ähnlich wie durch den Saltstraumen bei Bodö, wenn es gurgelt. Als ich voller Respekt (Tiefgang 1,8 m) an den Gefahrenstellen vorbei steuerte, raste ein solches Gefährt - ohne nennenswerten Tiefgang - in gerader Linie über alle Untiefen hinweg in Richtung Norden.
 

 



Ankunft in der Inselgruppe Svarvene mit der “Hauptinsel” Tjeldholmen:
(Die Insel in der Bildmitte ist Högholmen. Von Tjeldholmen (linker Bildrand) ist nur ein Zipfel zu sehen. Die Berge im Hintergrund - im Norden - sind die Südflanke der Insel Moskenesöy. Der im DNL im Detail beschriebene Malstrom liegt dazwischen.)

 

2. Juli 2005 15:25 Einfahrt Svarvene  [Canon G5]

 



Geschafft: PHINE liegt vor Anker (plus Landleine) und ich bin an Land auf Tjeldholmen:
(Gegenüber: Högholmen)

 

2. Juli 2005 15:53 Vor Anker Tjeldholmen  [Canon G5]

 



Dort oben liegt sie. Ich bin aber noch nicht richtig an Land, sondern klettere über ein Geröllfeld aus Riesen-Steinkugeln zu ihr hin:

 

2. Juli 2005 15:53 Rorbu Tjeldholmen  [Canon G5]

 

 

Immerhin: die Fenster sind noch nicht eingeschlagen, das Dach scheint noch dicht zu sein und die Tür steht nicht offen:

 

2. Juli 2005 15:56 Rorbu von außen  [Canon G5]

 

 

Wer im Sturm hier festsitzen sollte, findet zwar keinen Herd und wärmenden Ofen mehr (der liegt draußen als Müll), aber er hat noch ein Dach über dem Kopf:

 

2. Juli 2005 15:59  Rorbu innen  [Canon G5]

 

 

Und er kann sich an der Hoffnung wärmen, dass irgendwer irgendwann die Absicht hatte, diese Hütte zu “renovieren”:

 

2. Juli 2005 16:03  Rorbu innen Ausbau? [Canon G5]

 

 

Den Kaffee wird er selbst mitbringen müssen, die Tassen sind dagegen noch benutzbar:

 

2. Juli 2005 16:01  Rorbu / Kaffee  [Canon G5]

 

 

Die Erdbeermarmelade und die Streichhölzer dürften auch nur noch dekorativen Zwecken dienen:

 

2. Juli 2005 16:02  Rorbu / Teller  [Canon G5]

 

 

Weil man es hier so gut erkennt, eine Anmerkung zu den grünen Dächern. Die waren hier (und vor Verfügbarkeit von Dachpappe und Dämmwolle) nicht ”umweltbewusst” sondern ein Notbehelf. Das einzige Material zum Abdichten von Dächern war Birkenrinde - die beste kam aus Russland. Um sie flach zu drücken und nicht mit Nägeln zu durchlöchern, schichtete man Erde oder Torf darauf. Durch einen Balken wurde die nebenbei noch isolierende Deckschicht am Abrutschen gehindert:

 

2. Juli 2005 16:07  Rorbu  Dach  [Canon G5]

 

 

Wozu braucht man noch einen Schornstein, wenn das Mobiltelefon höchste Empfangsstärke bekommt?

 

2. Juli 2005 16:11  Rorbu / Kaminseite  [Canon G5]

 

 

Erbaut 1950 (oder 1956?). Da haben noch nicht einmal die Spinner von Mobiltelefonen geträumt:

 

2. Juli 2005 16:19  Rorbu / 1950/6?  [Canon G5]

 

 

Und wo saß nun Edgar Allan Poes ergrauter, dem Malstrom entkommene Fischer, der seinen Kampf gegen die tödlichen Wirbel einem Fremden erzählt? Auf einer der links liegenden Bergspitzen (dem Hellseggen) im Hintergrund:
(An dessen Fuß lag das blühende Fischerdorf Hell. Seine Bewohner wurden 1950 in weniger abgelegene Orte umgesiedelt.)

 

2. Juli 2005 16:26  Rorbu / Lofotodden  [Canon G5]

 

 

Ein Blick in die Gegenrichtung (nach Süden) -
die Bergspitzen der nie bewohnten Insel Mosken:

 

2. Juli 2005 16:15 Rorbu / Mosken  [Canon G5]

 

 

Es wird Zeit zu gehen. Die Tide wartet nicht. Und das Geröllfeld muss sehr vorsichtig überklettert werden, um sich nicht noch einen Knöchel zu brechen:

 

2. Juli 2005 15:57 PHINE Högholmen  [Canon G5]

 

 

An Mosken vorbei geht es zurück nach Værøy und ohne Stopp weiter bis Röst:

 

2. Juli 2005 18:07 Mosken  [Canon G5]

 

 

Damit wäre geklärt, was das Symbol einer Bebauung auf Tjeldholmen auf der Seekarte bedeutet. Nicht geklärt ist damit, zu welchem genauen Zweck die Hütte errichtet wurde und wer sie wofür benutzte. Denn dass sich jemand im Sturm durch die Untiefen, die die Inselgruppe garnieren, bis zum Ankerplatz durchschlagen kann, halte ich für unmöglich. Möglich wäre es, sich vor einem heraufziehenden Sturm hierhin zu retten. Um das zu erfahren, müsste man mal einen (sehr) alten Fischer fragen.

Im DNL Band 5 von 1998, Seite 234, steht lapidar:
“På Tjeldholmen, N av Mosken, rorbu hvor lokalkjente kan ta seg inn. På Mosken er det ingen bebyggelse.”
Also: “Nördlich von Mosken steht auf Tjeldholmen eine Hütte zur Benutzung durch Ortskundige. Auf Mosken gibt es keine Bebauung.”

Ich habe in der Gegend niemand getroffen, der die Hütte und/oder die Kurzgeschichte von Poe kennt oder von ihnen gehört hat *. Diese Hütte ist also nur für mich ein “Edgar Allan Poe Rorbu”. (Bis es die Tourismus-Industrie entdeckt und man dort für 500 Euro ein Event buchen kann - pro Person, versteht sich.)

 * doch, aber erst 2006 in Reine

 

 

Zum vorherigen Kapitel / Previous chapter 

Nach oben / Top of page (chapter)

weiter zum nächsten Kapitel / Next chapter

13.11.2008

(Last upload)