© Holger Melms
2003-2006

 

Die “alte Zicke” Senja

Die Insel Senja ist auf ihrer Innenseite langweilig und auf ihrer Aussenseite wild und zerklüftet. Nach zwei aufgegebenen Versuchen, die rauhe Nordseite* zu umsegeln (1997 und im Juni diesen Jahres), habe ich diese Kueste auf der Suedfahrt bei ruhigem Wetter auf meinen Reiseplan gesetzt. Nach einem Erlebnis der besonders angenehmen Art folgte ein weniger erfreuliches: der Motor überhitzte und blieb stehen.

*) Genau genommen ist die Außenseite von Senja nicht gefährlicher als Dutzende anderer schwieriger Gebiete entlang der norwegischen Küste.

NACHTRAG 30. Mai 2006

So schnell geht das ...

alternativ:

War ich der letzte Besucher?

Auf einen Hinweis von Vidar (aus Alta) fand ich folgende Zeitungsnotiz unter http://www.dagbladet.no/nyheter/2006/05/30/467652.html:

Heyerdahl kjøper Fjørtoft-paradis - Dagbladet.no

SOLGTE MED FORTJENESTE: forfatter, filmprodusent og journalist, Kjell Fjørtoft solgte Hekkingen til Jens P. Heyerdahls barn

FOTO: KAJA BAARDSEN

Barna til Jens P. Heyerdahl har kjøpt øya Hekkingen nord for Senja. Prisen er 6,1 millioner kroner, 3,1 millioner over takst.

ULF ANDRÈ ANDERSEN, FRODE HANSEN

Tirsdag 30.05.2006, 23:49  oppdatert 00:52

Selger er forfatter, filmprodusent og journalist, Kjell Fjørtoft.

- Jeg er i høyeste grad fornøyd med salget. Øya har betydd det meste for meg, sier Fjørtoft til Dagbladet.no. Forfatteren vil ikke kommentere hvem som har kjøpt eiendommen. Fjørtoft kjøpte øyparadiset i 1966.

Dagbladet.no får bekreftet av kilder i eiendomsbransjen at det er barna til Jens P. Heyerdahl, Jens P. Heyerdahl d.a.y og Mari-Ane Røed Heyerdahl, som har kjøpt eiendommen.

http://www.aftenposten.no/english/business/article763601.ece?service=print

(Some english statements about Jens P. Heyerdahl, plus Foto.)

Øya Hekkingen utenfor Senja er på drøyt 800 dekar, hvorav Fyrvesenet har 45 dekar. I tillegg følger et stort antall holmer og skjær og fine badestrender med på kjøpet. Øya er en av de mest spesielle fritidseiendommene som er lagt ut for salg i Norge.

Eiendomsmegler Jørn T. Nerdal hos Notar Eiendom i Tromsø sier at taksten var på tre millioner.

- Det var en langsom prosess helt til man tok fatt på selve budrunden. Når man først kom i gang, gikk det ganske fort. Eiendommen ble solgt for 6,1 millioner kroner. Det er en unik eiendom med en unik historie, sier Nerdal, som heller ikke vil kommentere hvem som har kjøpt eiendommen.

Kjell Fjørtoft har skrevet tre av sine 19 bøker på skrivemaskin på Hekkingen.

- Jeg var en «urolig» journalist og har skrevet kontroversielle bøker. Til tider var det en knallhard påkjenning. Da var det godt å komme til Hekkingen. Hvis jeg ikke hadde hatt Hekkingen, tror jeg ikke jeg hadde hatt balansen i meg til å skrive bøkene, sier Fjørtoft, som understreker at det har vært viktig å finne en kjøper som vil ta vare på stedet og på fuglene.

Zu deutsch: Der Verfasser, Filmproduzent und Journalist Kjell Fjörtoft hat sein (mit viel Überredungskunst) 1966 von - wie ich mich grob erinnere - älteren Damen erworbenes Inselparadies Hekkingen verkauft. Der Preis: gefordert 3 Millionen Kronen, gezahlt 6,1 Millionen Kronen. Der oder die Käufer seien die Kinder von Jens P. Heyerdahl. In dieser Internet-Notiz - die wie üblich in einiger Zeit gelöscht werden wird - findet sich auch dieses Bild von Kjell Fjörtoft:

 


Nächtlicher Besuch auf Hekkingen

Fährt man die Außenseite der dort wild zerklüfteten Insel SENJA entlang, kommt man an einer Insel mit dem untypischen - weil „öy"-losen - Namen „Hekkingen" vorbei. Ein enges und nicht sehr tiefes Fahrwasser südlich dieser Insel erspart einem einen großen Umweg. Während der Streckenplanung in den Norden habe ich mir im Juni das Gebiet bei Hekkingen sehr genau auf meinen diversen Karten angesehen: der genaue Verlauf des Fahrwassers ist schwer zu verstehen. Ein kleiner Anleger oder geschützter Ankerplatz ist nicht zu entdecken. Statt dessen ist die Insel von Hunderten Schären und Klippen umgeben. Auch der auf der Nordspitze der Insel stehende Leuchtturm ist mit einem normalen Segelboot nicht direkt zu erreichen.

Als ich in der Provinz Finnmark damit anfing, mich um die Ereignisse von 1944/45 zu kümmern, erhielt ich bei zu detaillierten Fragen von verschiedener Seite stets die Anwort: „Auf Hekkingen wohnt ein Mann, der weiß alles über den Krieg." Damit kam Hekkingen nicht nur wegen der Umsegelung von Senja auf meinen Fahrtenplan in den Süden

Wo aber sollte der Mann wohnen? Auf der Seekarte ist nicht zu erkennen, dass ein Haus auf Hekkingen steht. Die weithin sichtbaren drei Häuser am Leuchtturm im Norden der Insel kämen in Frage, sind aber von der Seeseite praktisch nicht zu erreichen. Vielleicht ist ein anderes Haus zu entdecken, wenn man durch den Sund südlich der Insel fährt.

Bei ruhigem Sonnen-Wetter kam ich abends gegen zehn Uhr durch dieses schmale Fahrwasser am Südufer von Hekkingen. Und siehe da: direkt neben dem Fahrwasser liegt ein kleines aber gepflegtes Gehöft. Und aus dem Wohnhaus steigt Rauch auf! Da muss jemand anwesend sein, der etwas von dem Mann mit den Kriegskenntnissen wissen muss. Aber wie an Land kommen? Am Fahrwasserrand stehen drei Baaken - das sind Gestelle aus dicken, rostigen Eisenrohren - , die offiziell als Festmacher verboten sind. Aber hier im Norden ist alles etwas inoffizieller. Ich kann die Strömung ausnutzen, um festzumachen, ohne dass PHINE gegen die scharfkantigen Eisenträger gedrückt wird. Dann rudere ich an Land und ziehe das Beiboot auf die Felsen. Unter dem wütenden Protest der ortsansässigen Möven klettere ich in Richtung Haus.

Auf halbem Weg steht ein kleines Holzschild „Kjell Fjörtoft Plass". (Plass = Platz.) Das sieht nach einem Besitzer mit Selbstbewusstsein aus.

In der Tür des Hauses steht ein freundlich lächelnder Mann, der mich sofort willkommen heißt. Es stört ihn auch nicht, dass ich nicht einmal den Namen desjenigen weiss, den ich suche. Aber in kurzer Zeit haben wir geklärt, dass er derjenige mit dem Wissen um die Kriegsereignisse ist. Und es hat den Anschein, dass er den unverhofften Besuch genießt und ausdehnen möchte. Da ich keinen längeren Aufenthalt erwartet hatte, muss erst das Beiboot vor der Flut und PHINE vor einer kenternden Strömung in Sicherheit gebracht werden.

Gemeinsam suchen wir in dem flachen Uferwasser einen besseren Liegeplatz für PHINE, vertäuen sie und gehen zurück ins Haus.

Nach einer eingehenden Führung durch das Gehöft, das noch aus dem 18. Jahrhundert stammt und keinen Anschluss an das Stromnetz hat, beginnen wir über Gott und die Welt zu diskutieren. Das mag unglaubwuerdig klingen. Aber es ist ein einfaches Wechselspiel zwischen zwei Leuten, die nicht darauf angewiesen sind, ein Image aufzubauen oder zu erhalten: ich war ohne Was-darf-ich-fragen-Filter neugierig und mein Gastgeber erfreut, auf jede unkonventionelle Frage eine offene und ausführliche Antwort geben zu können.

Der Ofen wärmt, Licht brauchen wir nicht und das Bier ist ausreichend kühl. Durch die alten Fensterrahmen sieht man aus diesem kleinen, wohl seit hundert Jahren unverænderten Wohnzimmer auf die bizarre, sonnenbeschienene Bergkulisse von Senja.

So langsam dämmert mir auch, mit wem ich es zu tun habe: Mein Gastgeber heisst Kjell Fjørtoft, ist 73 Jahre alt und erlebte den Krieg als Junge in einem aufgeklärten Elternhaus. Er hat rund zwanzig zum Teil sehr erfolgreiche Bücher geschrieben, war früher ein bekannter Fotograf und später Autor von gut zwei Dutzend Fernsehreportagen. Allerdings wurden seine Bücher, die sich mit dem Krieg beschäftigen, von etlichen Profi-Historikern angefeindet. Und das war eine offene Wunde.

Wir reden über vier Stunden und mokieren uns zwischendurch über die Führer der wenigen vorbeikommenden Motorboote. Diese sonst ständig rasenden Zeitgenossen schleichen förmlich durch das nahe Fahrwasser, um sich einen Reim auf das merkwürdige Segelboot vor dem Haus des bekannten Autors - und Inselbesitzers - zu machen.

Bier und Wärme ermüden dann doch. Ich verabschiede mich und klettere auf wackelnden Steinen durch das knietiefe Hochwasser zu meinem bei Niedrigwasser auf einem Felsen festgebundenen Beiboot. Bis zur PHINE ist es nur eine kurze Strecke.

Als ich schon im Beiboot sitze, bringt mir Kjell Fjörtoft noch eine Schale Moltebeeren, die er als Inselbesitzer unbeschränkt ernten darf. Wir wollen noch gemeinsam frühstücken, wenn das Wetter es zulässt.

Das tut es aber nicht. Früh um fünf dreht der Wind und die Strömung. Es ist zweifelhaft, ob der Anker hält. Also muss ich die beiden Landleinen mit dem Beiboot lösen, bevor der Anker zu rutschen beginnt. Ich versuche zwar noch, das Boot an anderer Stelle zu verankern, finde aber keinen geeigneten Platz. Kjell Fjörtoft hat meine Manöver wohl gesehen. Er erscheint in der Tür. Wir verabschieden uns aus der Ferne.

Und was waren die Fragen, die mich nach Hekkingen führten?

Frage Nummer 1: Warum wurde aus den 340.000 ausgeruhten deutschen Besatzern, die sich zu Kriegsende in Norwegen befanden, nicht ein Kontingent zum Wiederaufbau der Finnmark abkommandiert? Antwort: keiner der „abgebrannten" Finnmärker wollte noch mal einen Deutschen sehen, nicht mal als Leibeigenen. (Dabei fällt mir auf: ist jemals eine geschlagene Armee zum direkten Wiederaufbau des von ihr Zerstörten herangezogen worden?)

Frage Nummer 2: Was wurde aus dem ganzen Material, das eine ungeschlagene Armee von 340.000 Mann notwendigerweise besitzen muss? Oder auch: welchen Wert besaß dieses Material, das ja wohl vom U-Boot bis zum Betonmischer alles umfasste und womöglich für eine satte Wiedergutmachung in bar für jeden Finnmärker gereicht hätte? Antwort: Haben die Amerikaner alles sofort in Kisten verpackt und in die USA geschafft.

Die letzte Antwort ist schon etwas Bier-geschädigt und leitet für Kjell Fjörtoft zu dem Thema über, das ihn am meisten bewegt: sein „Krieg" mit den Berufs-Historikern, die seine Arbeiten immer wieder anzweifeln. Für meine Frage scheint zu gelten: die Briten und Amerikaner hatten auch in diesem Punkt (siehe „Tana-Bru") einen so starken Einfluß, dass sie ihre Interessen über die des kleinen 4-Millionen-Volks der Norweger oder gar der lächerlichen 75.000 Finnmärker stellten. Schließlich hatten sie den Krieg gewonnen und nicht die paar verträumten norwegischen Soldaten, die auf Seiten der Alliierten mitkämpften. Und was in Kisten verpackt wurde, waren vor allem Dokumente, die sich in riesiger Menge in einem amerikanischen Archiv (Name vergessen) befinden sollen (habe daran keine Zweifel, nur indirekte Rede!), aus dem Kjell Fjörtoft Tausende von Mikrofilmseitenseiten besäße, und die die Basis seiner Kriegsbücher seien.

In der Bibliothek von Harstad habe ich mir für einen Tag zwei seiner Bücher ausgeliehen: ein Kriegsbuch und ein Buch über Hekkingen. Mehr als hundert Seiten habe ich in der Zeit nicht geschafft. Für das Kriegsbuch scheint zu gelten: neben möglichen Fehlern scheint es eine Reihe unpatriotischer Fragestellungen zu enthalten, was sich schon in einem der Untertitel andeutet: „Krieg - und Zusammenarbeit". Das Buch über Hekkingen „Min öy i havet" (Meine Insel im Meer) erzählt nicht nur von der Vergangenheit dieser Insel sondern gibt einen interessanten Abriss der Geschichte von Nordnorwegen. (Ich weiss nicht, ob diese Buecher ausserhalb Norwegens erschienen sind.)

Vier Stunden, nachdem ich Hekkingen verlassen habe, und in der Morgensonne die zerrissene Nordseite der Insel entlang gesegelt bin, bleibt der Motor stehen: Kolbenfresser. Da bekam ich nach dem freundlichen Hekkingen das andere, klippengespickte Gesicht der Nordwestkueste von Senja zu sehen. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Kjell Fjörtoft im Boot vor seinem Haus auf Hekkingen (um 1980)Kjell Fjörtoft vor seinem Haus auf Hekkingen. Die Aufnahme stammt von der Rückseite seines Buches “Min öy i havet”, das 1980 veröffentlicht wurde.

Hekkingen am 30. Juli 2003 früh um fünf.Hekkingen am 30. Juli 2003 früh um fünf. Der “Turm” auf dem Berg ist eine Varde. Vor dem Haupthaus ist in den letzten 20 Jahren ein hoher Busch gewachsen. Das braune Gebäude ist der Bootsschuppen.

Hekkingen am 30. Juli 2003 früh um fünf (Ausschnitt).Eine digitale Vergrößerung aus obigem Foto.

 

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